Wertvoller Hafer
Der Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg hat den Saathafer (Avena sativa) zur Arzneipflanze des Jahres 2017 gewählt. Sein Einsatzspektrum reiche von der Behandlung der Haut über Magen-Darm-Erkrankungen bis hin zur Vorbeugung etwa von Arteriosklerose und Diabetes mellitus Typ 2, erläuterte Dr. Johannes Gottfried Mayer vom Studienkreis.
PS: Weitere Artikel zum Thema Arzneipflanze sowie auch zu Heilpflanze finden Sie über die Suchfunktion. Den Unterschied zwischen Heil- und Arzneipflanze haben wir im Artikel Heil- und Arzneipflanze des Jahres 2015. And the winner is… dargestellt.
Heilmittel mit Hafer
Hafer schmeckt lecker, gibt Kraft und bringt eine große Portion Gesundheit! Der Saathafer gehört zu den Süßgräsern und bildet seine Körner in vielfach verzweigten Rispen aus. Spelzen umschließen die Körner und müssen bei der Verarbeitung durch besondere Mahlgänge entfernt werden. Je nach Art der verwendeten Pflanzenteile werden verschiedene Inhaltsstoffe wirksam. Daher liefert Saathafer, auch Weißer oder Echter Hafer genannt, therapeutische Heilmittel wie Haferkraut (Avenae herba), Haferstroh (Avenae stramentum) und Haferfrüchte/-körner (Avenae fructus).
Haferkraut beruhigt
In der Naturheilkunde ist vor allem grüner Hafer (Avenae herba) bekannt, der kurz vor der Blüte geerntet und dann getrocknet wird. Er besitzt einen hohen Anteil an Mineralien wie Kalium, Calcium oder Magnesium. Das Kraut ist reich an entzündungshemmenden Flavonoiden und immunmodulierenden Saponinen. Grüner Hafertee empfiehlt sich bei nervöser Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Angst und Spannungsgefühlen. Da der Tee den Harnsäurespiegel im Blut senken soll, kann grünes Haferkraut unterstützend in der Rheuma- und Gichttherapie eingesetzt werden. Die Droge ist auch entschlackendes, harntreibendes Mittel (Diuretikum) bei Durchspülungstherapien und Blasenschwäche. Zusammen mit anderen pflanzlichen Mitteln findet sich grünes Haferkraut in Präparaten gegen Beschwerden des Herz-Kreislauf- Systems und der Atemwege, Stoffwechselerkrankungen und Alterserscheinungen.
Aus frischem Haferkraut entsteht Haferkraut-Press-Saft der traditionell bei nervösen Erschöpfungszuständen und zur Kräftigung und Stärkung Anwendung findet.
In der Homöopathie ist Avena sativa D12 als Urtinktur ein wichtiges Mittel zur Nervenstärkung. Die alkoholische Urtinktur wird aus dem blühenden Haferkraut hergestellt. Sie hilft bei nervösen Erschöpfungszuständen und auch bei Schlafstörungen, da sie beruhigt und die Anspannung nimmt. Die Urtinktur soll auch die Heilwirkung anderer Heilpflanzen unterstützen.
Haferstroh lindert
Haferstroh (Avenae stramentum) besteht aus getrockneten Laubblättern und Stängeln. Darin enthaltene Pektine, Kieselsäure und Vitamin A haben heilsame Wirkung auf die Haut. Haferstroh gehört zu den nachweislich wirksamen pflanzlichen Arzneimitteln, die bei Neurodermitis eingesetzt werden. Ein Bad mit einem Sud aus Haferstroh mildert juckende und entzündliche Hauterkrankungen und soll auch bei Gicht und anderen rheumatischen Krankheiten helfen.
Vitamin- und mineralstoffreiche Haferkörner
Haferflocken im leckeren Frühstücks-Müsli, ein nussig schmeckender Haferdrink, Haferbrei oder Haferschleim sind bekannte Zubereitungen der Haferkörner. Das Getreide ist bei Sportlern beliebt, denn es gibt Kraft und Energie, belastet aber kaum den Magen. Die vitalisierende und wach machende Wirkung gibt das Sprichwort wieder: „Ihn sticht der Hafer.“ Es bedeutet nichts anderes als: „Er wird übermütig.“ Im Vergleich zu anderen Getreidesorten wie Roggen, Weizen oder Gerste sind die Körner des Hafers (Avenae fructus) besonders nährstoffreich. Sie enthalten einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, die sich vor allem in den Randschichten und im Keim befinden. Hafer hat einen Eiweißgehalt von über zwölf Prozent, mit einem hohen Gehalt an essentiellen Aminosäuren. Da Gluten ein Bestandteil des Hafereiweißes ist, sollte er von Menschen, die an Zöliakie leiden, nicht verzehrt werden. Es gibt aber auch Studien, die von einer Verträglichkeit ausgehen. Hafer hat einen hohen Mineralstoffgehalt, darunter Kalium, Magnesium, Eisen, Calcium, Zink und Phosphor. Die vitaminreichen Körner weisen vor allem Vitamine der B-Gruppe auf sowie Vitamin E und Carotin. Vitamin B1 unterstützt das Nervensystem und fördert die Konzentration. Vitamin B2 ist notwendig für die vielfältigen Stoffwechselprozesse sowie für die gesunde Haut und Nägel. Vitamin B6 braucht der Körper für die Bildung des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin und die Produktion des körpereigenen Glückshormons Serotonin. Folsäure (Vitamin B9) ist wichtig für Wachstum und die Bildung der roten Blutkörperchen.
Wirksame Ballaststoffe
Von besonderem Interesse sind die Beta-Glucane, die etwa die Hälfte des gesamten Ballaststoffgehalts im Hafer ausmachen. Sie haben Wirkungen auf den Verdauungstrakt und den Stoffwechsel. Im Vordergrund stehen positive Effekte auf den Cholesterin- und den Blutzuckerspiegel. Diabetiker profitieren vom Hafer. Der Abbau der Stärke führt zu einem langsamen und flachen Anstieg der Blutzuckerkurve, sodass weniger Insulin benötigt wird, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Lösliche Hafer-Ballaststoffe wie Beta-Glucan unterstützen diesen insulinsparenden Effekt und tragen sogar dazu bei, dass der Anteil des schädlichen LDL-Cholesterins (Low Density Lipoprotein Cholesterin) im Körper sinkt. Schon 2011 bestätigte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, dass der Verzehr von Beta-Glucan aus Hafer zur Senkung des Cholesterolspiegels beitragen kann. Überschüssiges Cholesterin, Gallensäuren und weitere Schadstoffe wie Schwermetalle werden an die löslichen Ballaststoffe gebunden und über den Darm ausgeschieden. Außerdem enthält Hafer sekundäre Pflanzenstoffe, die antioxidativ wirken und schädliche Ablagerungen in den Blutgefäßen unterbinden. Das wirkt einer Arterienverkalkung, der koronaren Herzkrankheit und dem Herzinfarkt entgegen. Außerdem wirken die Ballaststoffe des Hafers positiv auf Magen-Darm-Beschwerden und schützen die Darmschleimhaut. Haferschleimsuppe aus Hafermehl oder mit löslichen Haferflocken ist ein altes Hausmittel bei Entzündungen der Mundschleimhaut, der Speiseröhre und bei Magen- und Darmproblemen. Nach neueren Untersuchungen haben die schleimbildenden, löslichen Ballaststoffe im Hafer auch einen blutdrucksenkenden Einfluss. Regulierende Eigenschaften des Hafers ersetzen aber keine Therapie.
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