Wehrhafter Naturschutz
Truppenübungsplätze dienen nicht nur militärischen Zwecken. Sie leisten auch für den Arten- und Naturschutz ganz Erstaunliches.
Es ist kein Zufall, dass die ersten freilebenden Wölfe über einen Truppenübungsplatz nach Deutschland gekommen sind. Und auch nicht, dass sich viele andere extrem seltene Tier- und Pflanzenarten ebenfalls ausgerechnet dort wohlfühlen, wo Panzer rollen und Granaten explodieren. Denn militärische Sperrgebiete werden durch die Art und Weise ihrer Nutzung zu wertvollen Rückzugsgebieten für eine Vielzahl von Arten mit ganz unterschiedlichen Lebensraumansprüchen.
Optimale Bedingungen
Bei Truppenübungsplätzen kommen drei Faktoren zusammen, die sie zu Hotspots der Artenvielfalt werden lassen.
Denn sie umfassen erstens eine sehr große Fläche. So haben beispielsweise der Truppenübungsplatz Bergen in Niedersachsen mit einer Fläche von 28.700 Hektar oder das Militärgelände Grafenwöhr in der bayerischen Oberpfalz mit 22.800 Hektar jeweils fast die Größe von Nationalparks wie dem Nationalpark Müritz (31.800 Hektar), dem Nationalpark Bayerischer Wald (24.250 Hektar) oder dem Naturschutzgebiet Lüneburger Heide (23.440 Hektar). Militärische Sperrgebiete sind naturgemäß frei von Siedlungen und landwirtschaftlichen Flächen und zudem kaum von Straßen zerschnitten.
Zweitens werden Truppenübungsplätze häufig bereits seit Jahrzehnten militärisch genutzt. Die Natur hat somit viel Zeit, sich weitgehend ungestört zu entwickeln.
Und drittens tragen die Manöverübungen zur Landschaftsvielfalt bei. So werden für Schießübungen große Flächen baumfrei gehalten, worüber sich beispielsweise so seltene Offenlandarten wie Heidelerchen oder Wildbienen sehr freuen. Durch den Einsatz von schwerem Militärgerät bricht mancherorts der Boden auf oder wird verdichtet, so dass kleine Tümpel entstehen können. Diese werden nach und nach zum Lebensraum von seltenen Amphibien wie etwa Kreuzkröten oder Gelbbauchunken und zahlreichen Wasserinsektenarten.
Ökologische Trittsteine
Wie wichtig Militärflächen für die Wiederansiedelung und Ausbreitung seltener Tierarten sind, zeigt eine im Februar dieses Jahres veröffentlichte Studie von Wildbiologen über das Verhalten von Wölfen. Die Forscher konnten belegen, dass in neu besiedelten Wolfs-Regionen die ersten Reviere der grauen Jäger nicht in Naturschutzgebieten, sondern immer auf Truppenübungsplätzen zu finden waren. Militärische Sperrgebiete dienen somit als ökologische „Trittsteine“, die nicht nur dem Wolf, sondern auch vielen anderen Tierarten wie Wildkatzen, Schwarzstörchen, Hirschkäfern oder Fledermäusen helfen, neue Lebensräume zu erobern.
Ungestörte Refugien
In Zeiten ohne militärischen Betrieb sind Truppenübungsplätz nahezu menschenleer. Denn aufgrund umherliegender Munitionsreste und Blindgänger sind sie für zivile Besucher absolut tabu. Was naturverbundene Bürger enttäuschen mag, hat für die darin lebenden Wildtiere den unschätzbaren Vorteil, weitgehend ungestört leben zu können. Eine gute Möglichkeit, Wildtiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten, sind aber ehemalige, stillgelegte militärische Sperrzonen wie beispielsweise Münsingen auf der Schwäbischen Alb oder die Döberitzer Heide vor den Toren Berlins. Hier wurden die Munitionsreste zumindest teilweise geräumt, sodass Besucher in der sehr ursprünglichen Landschaft auf ausgewiesenen Wegen gefahrlos auf Entdeckungstour gehen können.
Auch hier bei uns in Hannover gibt es einen Standortübungsplatz, den Anreiner außerhalb von Übungen für den Spaziergang mit und ohne Hund nutzen (hier ist das auf eigene Gefahr erlaubt, vgl. Titelbild), der vielen Tieren als Heimat oder Zwischenstation dient und der eine weitere grüne Lunge der Stadt ist.