Tierische Tarnung: Mimese & Mimikry
Zugegeben, beim Titelbild haben wir den Protagonisten von Bees Kolumne mittels Bildbearbeitung in einen Tarnmodus umgefärbt.
In der Natur schaffen das viele Tiere mit unterschiedlichen Zielsetzungen auch ohne technische Hilfe. Im Laufe der Evolution haben sie faszinierende Überlebens- und Jagtstrategien entwickelt.
Bei der tierischen Tarnung wird unterschieden zwischen Mimese und Mimikry. Der prinzipielle Unterschied, allgemein gesprochen: Mimese ist eine Tarntracht, Mimikry eine Warntracht. Wie man sich jedoch vorstellen kann, sind die Übergänge hier bei all den Ausprägungen in der vielfältigen Natur fließend.
Mimese
In der historisch sowie sprachlich gewachsenen biologischen Einordnung steht Mimese für die täuschende Nachahmung eines belebten oder unbelebten (Allomimese) Objekts, das für den zu täuschenden Empfänger uninteressant ist (im Gegensatz zur Mimikry), z.B. Blätter, Blüten, Stengel oder sogar Kot.
Anders als im Falle der Tarnung kann der Nachahmer zwar leicht gesehen, aber nur schwer als das erkannt werden, sprichwörtlich (und ebenfalls aus der Natur entliehen) sieht man also „den Wald vor lauter Bäumen nicht“. Besonders in Fällen der Nachahmung des Untergrunds ist eine Abgrenzung zwischen Mimese und Tarnung schwierig. (In der englischsprachigen Literatur wird hier gar nicht unterschieden und beides als „crypsis“ bezeichnet.)
Innerhalb der Mimese gibt es je nach nachgeahmtem Gegenstand noch weitere Unterteilungen.
Mimeseformen:
- Zoomimese – Anpassung an andere Tiere (Unterschied zu Mimikry: muss nicht wehrhaft oder giftig sein – z.B. Ameisenähnliche, die zwischen Ameisen in deren Nestern leben)
- Phytomimese – Nachahmung von Pflanzen / Pflanzenteilen z.B. Gespenstschrecken (Stabschrecken oder Wandelndes Blatt).
- Allomimese – Nachahmung unbelebter Gegenstände, also z.B. Steine oder Couchkissen. In der Fotoreihe zu sehen ist die – nicht ganz ernstgemeinte – Imitation eines Kissens durch unseres Protagonisten Bee, um nicht der Couch verwiesen zu werden.
Mimikry
Nun zur Mimikry nach W. Wickler (ein 1931 geborener, deutscher Zoologe, dessen Werke im Rahmen der Verhaltensphysiologie hier wesentlichen Beitrag erbracht haben). Jede Ähnlichkeit zwischen Lebewesen, die nicht auf stammesgeschichtlicher Verwandtschaft, sondern auf einer täuschenden Nachahmung von Signalen im Rahmen der nonverbalen Kommunikation der Lebewesen beruht, wird hierunter gefasst. Und weil dies ein ebenso spannendes wie breites Gebiet ist, haben sich noch weitere schlaue Köpfe Ihre Gedanken dazu gemacht, nach denen heute die verschiedenen Ausprägungen benannt werden.
Mimikryformen:
- Bates’sche Mimikry – die bekannteste Art von Schutzmimikry – Bsp.: Scheinwarntracht der Schwebefliege (Imitation der „Aggro“-Wespe). Hierzu zählen generell optische Warnsignale der gefährlicheren Arten, die kopiert werden; bei Insekten z.B. sehr oft die Farbkombinationen Gelb-Schwarz sowie Rot-Schwarz oder Augenflecke, die als Nachahmung von Wirbeltieraugen interpretiert werden können (Schmetterlinge).
- Müller’sche Mimikry – Bsp.: Schmetterlinge versch. Arten mit gleichem Aussehen. Eine Art aber ungenießbar = Fressschutz für alle. Allerdings wird hier nicht wirklich getäuscht. Man benutzt lediglich eine gemeinsame Warnfarbe, damit die Signalempfänger die Gefahr offensichtlich schneller lernen können, diese Tiere nicht zu verspeisen.
- Mertens’sche Mimikry – Bsp.: Nattern unterschiedlicher Giftigkeit profitieren beidseitig von der Ähnlichkeit, hochgiftig und nicht giftige passen sich den mäßig giftigen hinsichtlich Ihres Auftretens an.
- Peckham’sche Mimikry – aggressive Form zur Jagd – Bsp.: Anglerfisch (Seeteufel), er lockt durch Hautauswüchse, die an einen Wurm erinnern, Beutefische (bei gleichzeitiger Körpertarnung, die ihn an die Umwelt anpasst und so weniger erkennbar macht. Dies stellt quasi eine Mischform von Mimikry und Mimese dar).
- Chemische Mimikry – Nutzung „gefälschter“ chemischer Signale. Viele Pflanzen machen sich diesen Trick zur Bestäubung zunutze, indem Sie für die Insekten attraktive Gerüche zur Futtersammlung oder Fortpflanzung ausströmen, damit diese die Blüten bestäuben. Viele Orchideen locken durch das Verströmen von Sexuallockstoffen sowie durch Nachbildung (Mimese) ihre Blüten, die der Gestalt der Weibchen täuschend nachmodelliert sind, deren Männchen an. Sie verwechseln diese Blüten mit ihren Weibchen und versuchen sie im Anschluss zu begatten. Dieser Fall wird nach dem Entdecker als Poyanne’sche Mimikry bezeichnet (franz. Hobby-Entomologen A. Poyanne, der 1916 das Phänomen entdeckte).
- Molekulare Mimikry – Diese Form kann man erst unter dem Mikroskop bzw. biochemisch entdecken: Hierunter versteht man die Tarnung von Krankheitserregern gegenüber dem Immunsystem. Durch die ständige unterschwellige Reizung kann dies evtl. sogar Ursache für MS oder Polyarthritis sein, vor allem, wenn der Körper dagegen Abwehrstoffe, sogenannte Antikörper, produziert.
Tarnung beim Menschen
Der Mensch versucht immer wieder aus der Natur zu lernen. Insbesondere bei Jagd und Kriegsführung wird er besonders erfinderisch. So haben Soldaten für verschiedene Einsatzgebiete optimal angepasste Tarnanzüge.
Aber auch Beispiele für Mimikry gibt es zuhauf bei uns im Menschenreich, so wird mit Lügen bis hin zur arglistigen Täuschung gearbeitet, hier verfügt der Mensch über eine weitere Tarnung auf mentaler Ebene.
Und spätestens seit einem Werbespot, in dem sich ein Mädchen das Deo ihres Freudes aufträgt und fortan von allen Frauen angeflirtet wird, weiß jedermann, dass man mit der Aufbringung bestimmter Düfte nicht nur den eigenen Geruch überdecken, sondern das andere Geschlecht u.U. sogar mit Pheromonen anlocken kann.