Tiere im Winter-Ausnahmezustand
Jede Tierart hat ihre eigene Strategie, den Winter zu überstehen. Manche Tiere fliegen einfach weg, manche fallen in einen langen tiefen Schlaf, und wieder andere versuchen, sich irgendwie durchzuschlagen. Aber wer überlebt wo und wie?
Hat der Winter die Landschaft mit Eis und Schnee fest im Griff, wird es draußen still. Das bedeutet aber nicht, dass das Leben in der Natur gänzlich zum Erliegen gekommen wäre – im Gegenteil.
Insekten tanken Sonne
Die grazilen Wintermücken gehören zu den wenigen Insekten, die im Winter aktiv sind. Bei Temperaturen leicht über 0 °C bemühen sich Schwärme von tanzenden Mückenmännchen Partnerinnen anzulocken. Wintermücken sind sehr kälteresistent. Dies verdanken die Mücken einem Glycerin- ähnlichen Frostschutzmittel in ihrer Körperflüssigkeit. Dieser Zucker-Alkohol senkt den Gefrierpunkt ab, wodurch verhindert wird, dass die Gewebe- und Zellstrukturen der Wintermücken durch Eiskristallbildung zerstört werden. Zusätzlich sind Mückenkörper, Beine und Äderchen dunkelgrau bis schwarz gefärbt und wirken dadurch wie Sonnenkollektoren, die schon geringste Strahlungswärme der Sonne aufnehmen können.
Der Weiße Grasbär ist eigentlich ein Wärme liebender Nachtfalter. Paradoxerweise sind seine Raupen aber im Winter aktiv. Wie für Bärenspinner üblich, tragen die Raupen ein borstiges Haarkleid. Dieses schützt jedoch nicht effektiv gegen Kälte oder Frost. Vielmehr verkriechen sich die Tiere bei sehr kalten Bedingungen unter einer Schicht aus Moos und fallen in eine Winterstarre. Milde Wintertage dagegen nutzen sie, um sich zu sonnen und aufzuwärmen. Das schwarze Outfit unterstützt dabei die Aufnahme der Sonnenenergie. Bei der Nahrungssuche begnügen sich die Raupen mit jahreszeitentsprechender Schmalkost aus vertrocknetem Gras oder Moos. Sie verbringen das ganze folgende Frühjahr damit zu fressen und verpuppen sich erst im Juni.
Hummeln verbringen den Winter einsam
Hummeln gehören zu den Staaten bildenden Wildbienenarten, deren Völker aus bis zu 600 Individuen bestehen können. Im Gegensatz zu den Honigbienen überlebt das Hummelvolk allerdings nur einen Sommer. Während dieser Zeit steht die Aufzucht der Jungköniginnen im Vordergrund. Sie sind die Einzigen, die den Winter mit einer gut gefüllten Nektarblase an einem geschützten Ort überleben. Dazu verkriechen sie sich in Erdlöchern, Mauerritzen oder unter Laubhaufen. Die winterliche Kälte stellt dabei kein Problem dar. Dank eines köpereigenen Frostschutzmittels sind die Jungköniginnen für Temperaturen von bis zu -19 °C gewappnet. Im zeitigen Frühjahr beginnt der Zyklus dann von Neuem, wenn die Jungkönigin ihr eigenes Volk gründet.
Vögel zieht es gen Süden
Für Vögel ist die einfachste Lösung, den kargen Winter zu überstehen, ihm einfach auszuweichen. Und so sind nicht wenige unserer heimischen Vogelarten Zugvögel. Manche zieht es regelmäßig nach Afrika bis weit südlich des Äquators, wie Weißstörche oder Schreiadler. Anderen, wie dem Hausrotschwanz oder dem Schwarzkehlchen, reicht schon das mildere Klima am Mittelmeer aus, während manch andere Art ihre Brutgebiete nur in Teilen räumt oder sogar nur ganz besonderen Witterungsbedingungen ausweicht.
Gerade längere Zugwege kosten allerdings viel Kraft. Deshalb legen sich viele Vögel vor dem langen Weg ein großes Fettpolster an. Das macht sie aber nach Aussagen von Naturschutzexperten der Heinz Sielmann Stiftung besonders attraktiv für die Pfanne und damit für Vogelfänger in südlichen Ländern. Und das ist nur eine von vielen Gefahren auf dem Weg in den Süden. Die langen Reisen werden dadurch für jeden einzelnen Vogel zu einem unkalkulierbaren Risiko. Von den hierzulande vorkommenden Zugvögeln kehrt im Frühling regelmäßig nur noch ein Bruchteil in seine Brutgebiete zurück.
Da scheint es doch fast besser, im Winter zu Hause zu bleiben. Doch aufgepasst: Wenn wir bei uns Amseln, Rotkehlchen oder Buchfinken beobachten, muss es sich dabei nicht um die gleichen Tiere handeln, die schon im Frühling und Sommer zu beobachten waren. Bei vielen Arten findet nämlich ein regelrechter, von uns Menschen oft unbemerkter Austausch statt: Unsere Brutvögel verlassen das Gebiet Richtung Süden oder Westen, während Tiere der gleichen Art aus nördlichen und östlichen Gefilden nachrücken und den Winter bei uns verbringen. Mancher Wintergast oder Durchzügler lässt sich allerdings sofort als solcher erkennen, da die Art bei uns nicht brütet: Bergfink, Rotdrossel und Seidenschwanz bereichern unseren Winter, und das manchmal sogar in Massen – der Bergfink bringt es in manchen Jahren, die reich an Bucheckern sind, auf Schwärme mit mehreren Millionen Tieren.
Frösche leben auf Sparflamme
Amphibien sind wechselwarme Tiere, das heißt, dass ihre Körpertemperatur von der Außentemperatur abhängt. Bereits ab 10 °C können sie sich nicht mehr bewegen. Der Moorfrosch etwa hat sich dann schon längst sein Winterquartier gesucht. In laubgefüllten Kuhlen oder unter Baumwurzeln verbringt er die kalte Zeit in einer Kältestarre. Der Stoffwechsel und nahezu alle Körperfunktionen werden auf null heruntergefahren. So brauchen sie eben keine Energie. Im Frühjahr wecken dann die ersten warmen Sonnenstrahlen wieder alle Lebensgeister.
Kein Dauerzustand
All diese Strategien, um die kalte Jahreszeit zu überleben, können nur eine bestimmte Dauer funktionieren. Denn trotz allem sind es Notfallpläne für den Organismus. Kein Tier kann ewig im Wintermodus leben, sondern ist darauf angewiesen, dass der Frühling kommt. Die zeitliche Steuerung von Einwinterung und Beenden dieses Zustandes geschieht über die innere Uhr, steigende Temperaturen und die Tageslichtmenge.
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