Sind Sie ein Border Collie
Der Terminkalender platzt aus allen Nähten, dazu klingelt ständig das Telefon, und auf Social Media sind wir auch aktiv. Hand aufs Herz: Macht uns das Freude – oder ist es eher eine Taktik, um unerwünschten Gedanken und Emotionen auszuweichen?
Regelmäßig greift unsere Hand zum nächsten Bildschirm; ein kurzer Blick auf die Nachrichten, zielloses Scrollen durch TikTok oder Instagram, ein flüchtiger Austausch im Chat. Was für viele kurze Ablenkung bedeutet, wird für andere zur täglichen Strategie, die innere Leere zu vertreiben. Wenn jede freie Minute ohne Beschäftigung eine Herausforderung ist und der Gedanke ans Alleinsein Unbehagen auslöst, sprechen Experten vom Border-Collie-Syndrom. „Der Begriff, der an den gleichnamigen, stets arbeitsfreudigen, unruhigen Hütehund erinnert, beschreibt Menschen, die ein intensives Bedürfnis nach Beschäftigung und sozialer Interaktion verspüren, um sich sicher und erfüllt zu fühlen“, erklärt Dr. med. Steffen Häfner, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in der Klinik am schönen Moos. Ein Phänomen, hinter dem ernsthafte psychische Probleme liegen können.
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Pausenlos auf Power
Kulturell gesehen ist „Busy-sein“ mittlerweile zum Statussymbol geworden: Haben wir wenig zu tun oder verbringen Zeit allein, meldet sich bei vielen von uns oft automatisch das schlechte Gewissen, unproduktiv zu sein. Doch was, wenn die Erholung komplett ausbleibt? „Das Border-Collie-Syndrom ist zwar keine medizinische Diagnose, aber ein hilfreiches Bild, um die ständige Rastlosigkeit zu verdeutlichen. Oft geht es den Betroffenen weniger um konkrete Erledigungen, sondern um die Vermeidung belastender Gefühle wie Unsicherheit oder Einsamkeit“, sagt Dr. Häfner. Stets auf der Suche nach Ablenkung kreisen wir dann um die Frage „Was könnte ich noch machen?“ und wirken dabei wie der arbeitsame Border Collie. Steckt dieser auch in uns, füllen wir unsere To-do-Listen bis zum Rand, treffen ständig Freunden, treiben uns durch die Aufgaben. Der Mediziner warnt jedoch: „Dieses Verhalten birgt die Gefahr, dass echte Erholung sowie innerer Frieden auf der Strecke bleiben und die wahren Bedürfnisse dahinter übersehen werden.“
Beschäftigung statt Balance
Mitunter deutet das Border-Collie-Syndrom auf ungelöste Probleme aus der Vergangenheit hin, etwa familiäre Konflikte, emotionale Vernachlässigung oder früh erfahrene Ablehnung. Doch anstatt uns mit diesen Erlebnissen auseinanderzusetzen, versuchen wir, uns durch ständige Ablenkung zu stabilisieren. Ein Manöver mit Folgen; wer stets früh zur Arbeit erscheint, durchgehend Überstunden macht, in der Mittagspause noch E-Mails beantwortet und sich auch nach dem Job keine Ruhe gönnt, dem fehlt schließlich eine gesunde Balance. Warum machen wir unser Wohlbefinden und unseren Selbstwert denn überhaupt so oft abhängig von äußerer Bestätigung und dem Trieb, ständig busy sein zu müssen? „Es gibt nicht die eine Antwort auf diese Frage – die Ursachen sind vielfältig und häufig reichen sie bis weit in die Kindheit zurück“, erläutert der Therapeut und führt aus: „Da auf Social Media soziale Bestätigung besonders leicht erreichbar ist, kann ein übermäßiger Konsum die psychische Gesundheit zusätzlich belasten und die Rastlosigkeit verstärken.“
Ruhe und Reflexion
Die gute Nachricht: Wir können etwas tun, um dem Hamsterrad der bestärkenden Belastung zu entkommen. Wer bei sich Parallelen zum Border-Collie-Syndrom entdeckt, sollte zunächst mit bewussten Ruhephasen gegensteuern. „Sie sind unersetzlich für unser Wohlbefinden“, betont der Facharzt und ergänzt: „Achtsamkeitstechniken oder Entspannungsübungen wie Meditation können helfen, das Alleinsein als Chance zur Selbstreflexion und Entspannung zu begreifen.“ Für Menschen, bei denen das „Border-Collie-Syndrom“ stärkere Ausmaße annimmt und zu einer echten Belastung im Alltag wird, empfiehlt Dr. Häfner eine psychotherapeutische Begleitung: „Durch eine Therapie lässt sich herausfinden, wo die Ursachen liegen, und langfristig ein gesunder Umgang mit den eigenen Emotionen finden.“
Selbstverständlich haben wir für Ihre Fragen ein offenes Ohr und beraten Sie gern sowie individuell abgestimmt. Sprechen Sie uns einfach auf das Thema an.
