Ruhe, bitte! – Am 30. April: Tag gegen den Lärm

Unsere Ohren sind rund um die Uhr auf Empfang, etlichen Alltagsgeräuschen und sogar Lärm ausgesetzt. Was macht das mit unserer Gesundheit, und wie können wir Ruhe finden? Wir fragen Dr. André Fiebig, Gruppenleitung Psychoakustik am Institut für Strömungsmechanik und Technische Akustik an der TU Berlin.

Tag gegen den Lärm: 30. April

Lieber Dr. Fiebig, Sie engagieren sich in der Aktionsleitung des „Tages gegen den Lärm“, dieser findet jedes Jahr am 30. April statt. Dieses Jahr (2025) steht er unter dem Motto „Ruhe rockt“. Was hat es damit auf sich?

Wir wollen klarmachen, dass Ruhe nicht nur wichtig für unsere Gesundheit ist, sondern eine coole Sache. Sie macht Spaß, bringt schöne Erlebnisse und ist alles andere als reine Stille. Ruhe hat etwas Faszinierendes, sie rockt eben.

Sie unterscheiden zwischen Ruhe und Stille. Warum?

Für Wohlbefinden und Gesundheit brauchen wir keine absolute Stille. Im Gegenteil, erholsame Ruhe ist durchaus mit Geräuschen, etwa Vogelstimmen, Wind- oder Wellenrauschen, verbunden. Die empfinden wir als angenehm. Hingegen Geräusche, die wir als störend wahrnehmen, und solche, die wir nicht kontrollieren können, machen auf Dauer krank.

Wie genau schaden Lärm und Störgeräusche der Gesundheit?

Auf zweierlei Weise: Zum einen wirken sie direkt auf das Gehör, schädigen die Sinneszellen im Innenohr oder auch das Trommelfell, etwa bei einem Knalltrauma durch Feuerwerkskörper. Das kann zu Hörverlust, Schwerhörigkeit, Hörproblemen oder Tinnitus führen. Zum anderen wirken Lärm und Geräusche indirekt, nämlich auf unser autonomes Nervensystem – einen Bereich, den wir nicht bewusst beeinflussen können.

Was passiert da im Nervensystem?

Lärm und Dauerbeschallung, etwa durch Straßenverkehr, versetzen das Nervensystem in Alarmbereitschaft. Dabei werden jede Menge Stresshormone ausgeschüttet, die uns in Kampfbereitschaft versetzen. Auf Dauer leidet darunter die Konzentration, die Reizbarkeit erhöht sich und auch das Risiko für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Da unsere Ohren nicht abschalten können, auch nicht im Schlaf, beeinträchtigen Lärmbelästigungen die Nachtruhe, die zur Regeneration und zum Abbau von Stresshormonen erforderlich ist.

Welche sind die größten Lärmquellen im Alltag?

An erster Stelle steht der Verkehrslärm. Aktuelle Studien zeigen aber auch, dass Nachbarschaftslärm – Rasenmäher, Laubbläser, Musik, Türenknallen, Hundegebell – die Menschen genauso stört. Dahinter folgt Fluglärm, danach kommt Schienenverkehrs- und Baustellenlärm, gefolgt von Gewerbe- und Industrielärm sowie Freizeitlärm, etwa durch Open-Air-Veranstaltungen.

Von Lärm und Geräuschen sind wir ja ständig umgeben, welche Rolle spielt die Lautstärke?

Krach macht krank! Ab 120/130 Dezibel wird die Schmerzschwelle erreicht. Da tut Lärm einfach weh, etwa wenn ein Silvesterböller nahe dem Ohr explodiert, dabei kann beispielsweise das Trommelfell reißen. Lautstärken ab 85/90 Dezibel gelten als gesundheitsschädlich und werden mitunter schon an viel befahrenen Kreuzungen oder Baustellen, auch vielfach in Discos oder Clubs erreicht. Aber auch von Geräuschen mit deutlich geringeren Schallpegeln gehen Gesundheitsgefahren aus. Ob Geräusche wirklich schaden, hängt jedoch davon ab, wie wir sie persönlich bewerten. Empfinden wir sie als angenehm oder wählen wir sie selbst, etwa bei einem Konzert, ist die akustische Belastung zwar hoch, die nervliche aber weniger. Daher sind Dezibel-Werte unterhalb der Schmerzgrenze keine festen Größen, sondern Orientierungswerte. In jedem Fall gilt jedoch, dass wir uns vor Lärm und Störgeräuschen schützen sollten.

Wie können wir mehr Ruhe in den Alltag bringen?

Bei Lärm um die 90 Dezibel einen Ohrschutz tragen, etwa beim Rasenmähen, Sägen oder in der Fabrikhalle. Wer Kinder auf ein Festival mitnimmt, sollte sie unbedingt mit Gehörschutz ausstatten. Es geht zudem um die Belastung im Alltag, also auch zu Hause. So sollten Radio und Fernseher nicht ständig laufen, ebenso wenig Musik über Kopfhörer. Weniger kritisch als häufig angenommen sind Haushaltsgeräte wie Staubsauger, Waschmaschine und Trockner. Hier bestimmen Nutzer selbst, wann sie laufen. Nachbarschaftslärm hingegen nervt mehr, weil man ihn nicht steuern kann. Hundegebell kann es schon mal auf 70 bis 80 Dezibel bringen, wird von Tierfreunden locker toleriert, von anderen womöglich eher weniger. Da helfen ein offenes Gespräch und gegenseitige Rücksichtnahme. Wichtig ist auch ein ruhiger Arbeitsplatz, insbesondere im Homeoffice. Hier greift der gesetzliche Lärmschutz nicht und jeder trägt selbst Verantwortung. Oft ist schon viel gewonnen, wenn Radio und Fernseher während der Arbeitszeit ausgeschaltet sind. Schwieriger wird’s mit Verkehrslärm mitten in der Stadt oder an einer viel befahrenen Straße.
PS: Schnarchen – Rhonchopathie

Was kann ich tun, wenn ich mitten in der Stadt wohne?

Es ist bekannt, dass dauerhaft 60 Dezibel, gemessen am Fenster, das Krankheitsrisiko erhöhen. Da kann man mit Schallschutzfenstern gegensteuern und versuchen, Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmer nach hinten zu verlagern. Ansonsten sind die Möglichkeiten leider begrenzt, und jeder sollte zum Ausgleich aktiv Ruhe suchen. Das kann ein Spaziergang im Stadtpark oder im Wald sein, wo wir die akustische Vielfalt der Natur genießen können. Denn, wie gesagt, absolute Stille brauchen wir gar nicht.

Welche Ruhe-Inseln schaffen Sie sich selbst?

Wann immer es möglich ist, laufe ich eine Runde durch den Wald. Ohne Kopfhörer, um die Faszination der Naturgeräusche zu erleben. Vogelgezwitscher, Blätterrauschen – ein erholsames Konzert für die Ohren, und Ruhe, die tatsächlich rockt!

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