Rechnen, Schreiben, Tiere – Tierschutzunterricht
Bei Kindern im Grundschulalter ist der Wunsch nach einem Haustier oft eine echte Herzensangelegenheit.
Doch ein Tier zu haben, ist eine Sache, es artgerecht zu halten und zu versorgen, eine andere. Karsten Kulms sprach mit der bekannten TV-Moderatorin Nina Ruge, welche Rolle Tiere in ihrem Leben spielen und warum ihr ein kindgerechter Tierschutzunterricht so wichtig ist.
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Frau Ruge, als Medienschaffende haben Sie jeden Tag sicher ein sehr großes, anstrengendes Arbeitspensum zu bewältigen. Was hat Sie dazu bewogen, in Ihrem Leben einen Platz für Ihre beiden Hunde Vroni und Lupo freizuschaufeln?
Schon als Kind sehnte ich mich nach einem Hund – doch meine Eltern scheuten die Verantwortung, was ich heute sehr gut nachvollziehen kann. Mir ging es ja ähnlich: Die tägliche Sendung „Leute heute“ im ZDF, dazu etliche andere Sendungen und Moderationen – da war an einen Hund nicht zu denken. Doch als ich vor elf Jahren „Leute heute“ aufgab, da gab es kein Halten mehr: Lupo zog ein!
Vroni, eine Schweizer Sennenhündin, und Lupo, ein Entlebucher Sennenhund, sind ja nun nicht gerade kleine Hunde. Haben Sie sich bewusst für diese beiden entschieden oder hat sich das eher so ergeben?
Sie haben völlig recht. Zwei Hunde dieser Größe sollte man sich nur anschaffen, wenn definitiv geklärt ist, ob genügend Zeit für die Erziehung zur Verfügung steht, wer sich kümmert, wenn man nicht da ist, ob die beiden genügend Bewegung, Spiel und Schmuseeinheiten erhalten können. Wir haben das große Privileg, dass unsere Haushälterin die Hunde mit größtem Vergnügen übernimmt, wenn mein Mann und ich verreist sind. Sie liebt die Hunde abgöttisch. Noch dazu verbringe ich den Sommer mit den Hunden in der Toskana – das ist natürlich siebter Himmel für die beiden!
Sie sind seit 2015 Botschafterin der Initiative „Liebe fürs Leben – Tierschutzunterricht für Schulkinder“. Warum ist es Ihnen so wichtig, Grundschulkinder für den richtigen Umgang mit Tieren zu begeistern?
Na, die Kleinen sind doch die Hunde- und Katzenhalter von morgen! Und hier heißt es, frühzeitig ein Gespür zu entwickeln für die Bedürfnisse eines Tieres, für die Dimension der Verantwortung, die man mit einem Tier im Haus übernimmt, für das Zeitinvestment, das damit verbunden ist – und auch für die Kosten, die nicht unerheblich sind.
„So ein niedlicher Hund! Will ich auch haben!“ Ein solcher Begeisterungsschrei ist keine ausreichende Grundlage für eine glückliche Mensch-Hund-Beziehung. Gerade Grundschüler zeigen wegen Ihrer natürlichen Begeisterung für Tiere großes Interesse daran zu erfahren, wie sie zu beschäftigen sind, was sie an Futter, an Impfungen, an Erziehung, also an Zeit und Geld brauchen. Und sie sind – so habe ich es im Unterricht erfahren – durchaus bereit, sich selbst kritisch zu hinterfragen, ob sie das alles geben und leisten können.
Sie haben vor Ihrer Karriere als TV-Moderatorin und Buchautorin als Lehrerin an einem Wolfsburger Gymnasium die Fächer Deutsch und Biologie unterrichtet. War das auch ein Grund, sich für „Liebe fürs Leben“ zu engagieren?
Natürlich! Ich habe den Lehrer-Beruf geliebt – wollte mich aber dann irgendwann beruflich weiterentwickeln, und das war damals in Wolfsburg nicht möglich. Aus dieser Zeit heraus ist mir noch sehr genau bewusst, wie stark Kinder und Jugendliche an der Entschlüsselung von tierischer Kommunikation, ihrer Körpersprache, ihrer Mimik, ihrer Lautäußerungen interessiert sind. Auch das ist ein wichtiger Unterrichtsinhalt von „Liebe fürs Leben“. Wie nähere ich mich einem fremden Hund? Was fühlt mein Kater, wenn er faucht: Angst oder Wut? In unserem Tierschutzunterricht erfahren die Schüler/innen spielerisch sehr viel dazu – und lieben diesen „tierischen Schulstoff“!
Wenn Sie die Kinder aus Ihrer Zeit als Lehrerin mit den Schülern von heute vergleichen, beobachten Sie dann einen Unterschied in der Wahrnehmung der Kinder Tieren gegenüber?
Damals wie heute kommt es entscheidend auf die Haltung an, die im Elternhaus vermittelt wird. Respekt und Achtung vor allen Lebewesen, das Heranführen an die Fremdheit oder Ungewohntheit der Tier-Mensch-Kommunikation, das Fragen: „Was will mein Hund mir mit seinem Knicks der Vorderbeine sagen?“ „Spielen will er!“ – das sind Aufgaben, die Schule UND Elternhaus betreffen. Kinder, die aus – ich sag mal – „tieraffinen“ Familien kommen, haben intuitiv ein Gespür für den artgerechten Umgang, für die Dimension der Verantwortung. Andere Kinder reagieren vielleicht impulsiv auf ein niedliches Mopsgesicht oder eine großäugige Siamkatze – und sind später überrascht, wie viel Verantwortung ein Haustier bedeutet. Besonders für diese Kinder ist „Liebe fürs Leben“ gedacht.
Wie kann der Tierschutzunterricht helfen, Kinder für den artgerechten Umgang mit Haustieren zu sensibilisieren?
Im Grundschulalter muss natürlich der spielerische, anschauliche Aspekt im Vordergrund stehen. Und so sind die Unterrichtsmaterialien für die Tierschutz-Lehrer – die ja in erster Linie Tierärzte sind – auch gestaltet. Anhand von Zeichnungen und Fotos wird tierische Sprache verschiedenen Stimmungen zugeordnet, wir spielen die Begegnung mit einem fremden Hund im Rollenspiel – oder wir suchen aus verschiedenen Nahrungsmitteln die heraus, die gut sind für eine Katze. Am Ende erhalten die Kinder eine hübsche Urkunde mit ihrem Namen – „Isabel hat am Tierschutzunterricht erfolgreich teilgenommen“. Unterrichtsstunden wie diese werden nicht vergessen – das haben uns viele Klassenlehrer zurückgemeldet.
Was raten Sie Eltern, die selber noch keine Tiererfahrung haben, wenn sich ihr Kind ganz sehnlichst ein Haustier wünscht?
Eine Probezeit! „Grau ist alle Theorie, und grün des Lebens goldener Baum“, sagt Goethe. Lassen Sie Ihr Kind täglich mit einem Hund aus dem Tierheim spazieren gehen und ihn versorgen! Nehmen Sie ein Tier in Pflege, wenn die Halter im Urlaub sind! Besprechen Sie VORHER mit Ihrem Kind, was alles zu tun und zu lassen ist! So werden Sie als Familie gut entscheiden können, ob Sie gemeinsam diese Verantwortung übernehmen wollen und können – oder ob Sie es lieber beim gelegentlichen Tiere-Hüten oder dem Zoobesuch belassen wollen.
Was war denn Ihre bisher beeindruckendste Erfahrung mit den Kindern im Tierschutzunterricht?
Die Liebe zum Tier. Wenn wir es schaffen, diese Liebe mit einer ordentlichen Prise Respekt und Wissen zu würzen – dann wird alles gut!
Liebe fürs Leben – Tierschutzunterricht für Schulkinder
„Liebe fürs Leben” ist eine Initiative des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte e. V. (bpt) und des Tiernahrungsherstellers PURINA. Ziel ist es, Grundschülern ein Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse von Haustieren wie Katzen, Hunden, Kaninchen, Meerschweinchen und Vögeln zu vermitteln. Im Unterricht werden aber auch ganz praktische Fragen besprochen, beispielsweise „Wie verhalte ich mich bei einem fremden Hund richtig, der mir auf der Straße begegnet?“ oder „Wie nähere ich mich einer Katze, ohne dass sie Angst bekommt?“ Für den Tierschutzunterricht können Grundschulen bei „Liebe fürs Leben“ projekteigene, speziell geschulte Tierschutzlehrerinnen anfragen, die bundesweit im Einsatz sind. Altersgerechte Materialien runden das kostenlose Unterrichtsangebot von „Liebe fürs Leben“ ab, und am Ende der Unterrichtseinheit bekommt jedes Kind eine Teilnahmeurkunde.
Kontakt unter www.liebefuersleben.net
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