Mit Vergnügen fit
Sich wohlfühlen, in Form bleiben, steinalt werden – ein gesunder Lebensstil ist der Schlüssel zum Erfolg.
Worauf es ankommt, was die Wissenschaft sagt und wie Sportmuffel mehr Freude an Bewegung finden, verrät der Facharzt und WDR-Gesundheitsexperte Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser, alias „Doc Esser“, im Interview mit Andrea Neuen. Viele kennen den sympathischen Mediziner aus der TV-Sendung „Doc Esser macht den Westen fit“.
„Eine Stunde Laufen pro Woche verlängert das Leben um sieben Stunden.“
Herr Dr. Esser, Sie möchten die Menschen hierzulande fitter machen. Warum ist Ihnen das wichtig?
Ein Großteil unserer Gesundheit haben wir in der eigenen Hand. Wir können viel dafür tun, dass sie uns lange erhalten bleibt. Das funktioniert, wenn wir sportlich aktiv sind und uns einigermaßen gesund ernähren. Ich halte allerdings nichts davon, mit erhobenem Zeigefinger zu predigen, was man tun und lassen sollte. Wichtig ist mir vielmehr, zu erklären, warum es sinnvoll ist, in die eigene Gesundheit zu investieren, und aufzuzeigen, wie viel Freude ein gesunder Lebensstil machen kann. Wieso soll ich mich 30 Minuten am Tag bewegen? Wie kann ich dem Bluthochdruck davonlaufen? Ich denke, wer die Hintergründe und Zusammenhänge kennt, wird eher motiviert sein, auf sich zu achten.
Welche Vorteile haben diejenigen, die sich für gesunde Gewohnheiten entscheiden?
Sie gewinnen Lebenszeit und haben beste Voraussetzungen geschaffen, gesund zu altern. Wir werden immer älter, das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Mit der Lebenserwartung steigt das Risiko für viele Erkrankungen, etwa für Herz-Kreislauf-Probleme, Typ-2-Diabetes und Demenz. Durch einen gesunden Lebensstil können wir aktiv etwas dagegen tun. Statistisch betrachtet verliert ein Mann, der sich nicht bewegt, einseitig isst, raucht und regelmäßig Alkohol trinkt, 17 Lebensjahre; eine Frau, die gleichermaßen ungesund lebt, immerhin 14 Jahre. Das ist enorm. Und umgekehrt kann schon eine Stunde Laufen pro Woche sieben Stunden Lebenszeit bringen. Eine Studie, die ich gerne zitiere, hat das gezeigt. Natürlich ist der Lebenszeitgewinn limitiert, sonst würde ich bei meinem Laufpensum etwa 367 Jahre alt (lacht). Man kann sich aber tatsächlich dreieinhalb Jahre Lebenszeit erlaufen. Das ist fantastisch. Ich denke, da muss doch jeder gleich Bock haben, loszulaufen.
Spontan loslegen klingt prima … Aber wie gelingt es, dauerhaft am Ball zu bleiben?
Wir können Wünsche nicht erzwingen. Dem Partner oder der Partnerin zuliebe mehr für die Fitness tun, das funktioniert vielleicht zwei oder drei Wochen, aber nicht auf Dauer. Wir müssen in unserem tiefsten Inneren den Wunsch haben, etwas zu verändern und in unsere Gesundheit zu investieren. Und dann kommt es darauf an, das Ganze positiv zu gestalten – sich beispielsweise auszumalen, wie es sein wird, in drei oder vier Monaten fünf Kilometer am Stück joggen zu können. Wenn positiv belegte Ziele aus dem Herzen kommen, bleiben wir auch am Ball. Zudem ist‘s wichtig, sich realistische Ziele zu stecken. Von jetzt auf gleich zehn Kilometer am Stück laufen, das wird nicht klappen. Es geht aber auch gar nicht primär um sportliche Leistungen, sondern darum, in der Bewegung Freude zu finden – Spaß daran zu haben, aktiv zu sein.
Und wenn der innere Schweinehund dann doch mal siegt und wir das Training schlabbern?
Dann ist das kein Beinbruch. Um nicht enttäuscht zu sein, ist es sinnvoll, sich vermeintliche Niederlagen schon im Vorfeld auszumalen. Es wird Tage geben, an denen man sich nicht aufraffen kann, und solche, an denen man schlecht in Form ist. Das ist kein Grund, Trübsal zu blasen, das ist menschlich. Hauptsache, am nächsten Tag geht es dann wieder los. Leichter fällt das Dranbleiben übrigens, wenn man sich Gleichgesinnte sucht, die ein ähnliches Ziel haben. Wenn Samstagmorgen die Lauffreunde vor der Tür warten, bekommt man den Hintern auch bei Schmuddelwetter aus dem Bett (lacht).
Wie häufig sollten Anfänger und Wiedereinsteiger trainieren??
Das kommt auf die Sportart an. Sehr viele Menschen möchten sich Grundlagen erarbeiten, also die Ausdauer verbessern und ein bisschen Kraftsport machen. Einsteiger sollten dann nicht mehr als zwei- bis dreimal pro Woche trainieren, weil der Körper an den Tagen dazwischen Regenerationszeiten braucht. Hobbysportler sind oft viel zu ambitioniert und geraten dadurch in die Falle des „Übertrainings“ – sie rackern sich ab, aber die Leistung verbessert sich nicht wirklich. Das liegt daran, dass ihnen die Regeneration fehlt. Wer zu viel fordert, riskiert zudem Verletzungen. Deshalb: Langsam loslegen und das Pensum allmählich steigern. Wichtig ist außerdem aktives Aufwärmen vor dem Sport und passives Dehnen danach.
Welche Sportarten empfehlen Sie?
Sport muss Spaß machen – und welche Sportart diese Voraussetzung erfüllt, ist individuell ganz unterschiedlich. Die einen lieben Radfahren, die anderen Hula-Hoop… Ich selbst bin begeisterter Läufer und schwimme gerne. Das Bahnenziehen im Schwimmbad, von vielen als „Kachelzählen“ belächelt, ist für mich eine Art Meditation. Ich komme zur Ruhe und fühle mich danach nicht nur körperlich topfit, sondern auch mental resettet. Was den Kraftsport angeht, bin ich ein großer Fan von Bodyweight-Training, also Übungen ohne Geräte mit dem eigenen Körpergewicht. Das geht überall, ob zu Hause, im Hotel oder mittags im Büro. Wichtig ist es dabei allerdings, die Bewegungen eins a auszuführen. Lieber einfache Übungen sauber durchführen, als schwierige unpräzise und damit möglicherweise sogar gelenkschädigend.
Gesunde Ernährung ist die zweite Fitnesssäule: Was sollte unbedingt auf dem Speiseplan stehen?
Saisonale und regionale Kost, am besten frisch vom Bauernhof. Jetzt im Herbst zum Beispiel viel Kohlgemüse essen – das schmeckt und ist saugesund. Auch ein gutes Stück Fleisch darf gelegentlich auf den Teller kommen, idealerweise nicht öfter als einmal in der Woche. Sich vegetarisch oder vegan zu ernähren, ist aber auch eine gute Sache. Ich finde alle Menschen toll, die sich überhaupt mit Ernährung beschäftigen – bewusst einkaufen, Mahlzeiten mit Liebe frisch zubereiten und in Ruhe genießen.
Und was sollten Menschen berücksichtigen, die gleichzeitig abnehmen möchten?
Wer Kilos loswerden will, sollte kalorienreduziert essen, dabei aber nicht mit guten Fetten und hochwertigem Eiweiß geizen, sondern lieber Kohlenhydrate einsparen. Das bedeutet nicht nur, mit Gebäck, Schokolade und Co. sparsam umzugehen, sondern auch mit Brot und Pasta und bei Obst genau hinzuschauen, wie viel Fruchtzucker die jeweilige Sorte enthält.
Brauchen korpulente Menschen Bewegung und Sport noch dringender als schlanke?
Egal ob dick oder dünn, jung oder alt, gesund oder vorerkrankt – Bewegung ist für uns alle essenziell und die beste Basis für ein langes Leben. Als Arzt macht mich ein leicht übergewichtiger, aber sportlicher Mensch weit weniger nervös als ein schlanker, der völlig unfit ist. Allein das Gewicht sagt nämlich noch nichts über den Gesundheitszustand aus. Mein Credo: Weg vom Model-Figur-Denken, hin zu einem trainierten und beweglichen Körper.
Auch wir können Ihnen beratend zur Seite stehen. Sprechen Sie uns gern darauf an.