Martin Rütter im Gespräch

Mops oder Dackel? Tierheim oder Züchter? Worauf es bei der Hundewahl ankommt und wie der Mensch frühzeitig die Weichen für ein harmonisches Leben mit dem Vierbeiner stellt, verrät Hundetrainer Martin Rütter im Interview mit Andrea Neuen.

»Hunde brauchen Konsequenz und Regeln, auch sonntags«

Herr Rütter, die Corona-Pandemie hat einen Haustierboom ausgelöst, viele Menschen sind auf den Hund gekommen. Macht Sie das glücklich oder eher nachdenklich?

Eher nachdenklich. Ich habe zu jedem Zeitpunkt der Pandemie dringend davor gewarnt, sich einen Hund anzuschaffen, nur weil es die Lebensumstände gerade erlauben. So nach dem Motto: Jetzt habe ich nichts zu tun und viel Zeit, dann hole ich mir eben einen Hund ins Haus. Denn das Tier ist ja auch noch da, wenn die Pandemie vorbei ist … Ganz klar: Wer nach der Corona-Krise wieder zehn Stunden ins Büro muss, den Hund aber nicht dorthin mitnehmen darf, kommt als Hundehalter einfach nicht infrage.

Welche Überlegung sollte der Zweibeiner noch anstellen, ehe er sich einen Vierbeiner anschafft?

Ich rate dazu, vorab eine Checkliste zu erstellen, um herauszufinden: Welcher Hund passt überhaupt zu mir? Sind seine Charaktereigenschaften mit meinem Leben vereinbar? Welche Bedürfnisse habe ich, welche Bedürfnisse hat der Hund? Ein sehr aktiver Mensch, der gerne lange Wanderungen unternimmt oder täglich mehrere Kilometer joggt, wird weder mit einem Bernhardiner noch mit einem Mops glücklich werden. Der eine wird zu ausgedehnten Aktivitäten kaum zu motivieren sein; der andere ist schon vom Körperbau her nicht fürs intensive Sportprogramm geschaffen. Genauso wird ein eher gemütlicher Mensch, dem es reicht, dreimal täglich eine entspannte Runde durch den Stadtpark zu drehen, wenig Freude an einem aktiven Jagdoder Hütehund haben. In jeder guten Hundeschule kann man sich vor der Anschaffung übrigens dahin gehend beraten lassen. – PS: Haustieranschaffung verantwortungsbewusst planen

Einen Hund beim Züchter kaufen oder aus dem Tierheim holen – wofür plädieren Sie?

Weit verbreitet ist der Irrglauben, mit einem Welpen vom Züchter sei man automatisch vor allen Problemen gefeit. Das ist natürlich Quatsch. Auch bei Züchtern gibt es gute und schlechte. Viele Menschen haben Angst, einen Tierheim-Hund zu nehmen, weil sie denken, das Tier habe auf jeden Fall „eine Schraube locker“. Auch das ist Unsinn. Dass ein Hund im Tierheim unter Stressbedingungen hinter Gittern häufig bellt oder sich verängstigt zeigt, ist klar. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Hunde, die eine zweite Chance bekommen, einfach wahnsinnig dankbar sind. Deswegen rate ich jedem, der über die Anschaffung eines Hundes nachdenkt, zu einem Gang ins Tierheim.

Warum ist es wichtig, das neue Familienmitglied von Anfang an zu erziehen?

Weil die Erziehung des Hundes grundsätzlich ab dem Zeitpunkt beginnt, wenn er bei seinen neuen Haltern einzieht. Dabei spielt es keine Rolle, wie alt das Tier ist. Ein Welpe muss von Anfang an die Regeln im Zusammenleben mit dem Menschen lernen. Dazu gehören beispielsweise Stubenreinheit, sicheres Kommen auf Zuruf und entspanntes Laufen an der Leine. Zudem müssen junge Hunde viele Reize kennenlernen, um auf das spätere Leben gut vorbereitet zu sein.

Welche Erziehungsfehler sollten Frauchen und Herrchen unbedingt vermeiden?

Es gibt drei absolute Kardinalfehler. Erstens: extreme Vermenschlichung. Denn sie schürt Erwartungen, die der Hund niemals erfüllen kann – er kann nun einmal nicht denken und handeln wie sein Halter. Zweites: mangelnde Konsequenz. Menschen stellen Regeln auf, gehen dann aber zu lax damit um. Immer sonntags darf der Vierbeiner mit am Frühstückstisch sitzen und bekommt sein Leberwurstbrötchen, an den anderen Tagen aber nicht. Das kapiert kein Tier, das verunsichert es. Ein Hund benötigt klare Regeln, nur so kann er Vertrauen zu seinem Menschen aufbauen und sich auch in schwierigen Situationen auf ihn verlassen. Und das dritte Problem: zu wenig Beschäftigung. Hunde brauchen körperliche und geistige Auslastung. – PS: Rechnen, Schreiben, Tiere – Tierschutzunterricht (für Kinder)

Problemhunde gibt es nicht, lautet Ihr Motto. Ist der Mensch also selbst schuld, wenn sich der Vierbeiner rüpelhaft benimmt?

Absolut! Das Problem ist in 99 Prozent der Fälle der Mensch. Meist fehlt es ihm an Konsequenz und Disziplin, die in Sachen Hundeerziehung unersetzlich sind. Es bedarf fester Regeln, an die sich beide halten müssen. Will der Halter nicht, dass der Hund auf die Couch geht, dann muss er ihm das konsequent vorleben. Heute nein, morgen aber ja – das ist kontraproduktiv. Wichtig ist zudem, dass der Mensch immer die Entscheidungshoheit besitzt. Das schafft beim Hund Vertrauen. – PS: Welpenschule

Sie empfehlen Hundehaltern, einen „Hundeführerschein“ zu machen. Warum ist das sinnvoll?

Bei uns gibt es für alles einen Schein, selbst fürs Angeln. Wenn ich angeln gehe, kann ich aber niemanden gefährden. Wohl aber, wenn ich meinen Hund falsch erziehe. Deshalb ist ein Hundeführerschein eine sinnvolle Sache: Wenn Menschen bereits vor der Anschaffung des Tieres Grundlegendes über seine Bedürfnisse lernen und später dann in einigen praktischen Einheiten erfahren, worauf sie im Alltag achten müssen, wird sich der generelle Ausbildungsstand unserer Hunde bereits in wenigen Jahren deutlich verbessern. Deswegen freue ich mich, dass meine „DOGS Hundeschulen“ seit Kurzem solch einen Sachkundenachweis anbieten. Der „DOGS Hundeführerschein“ besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Part. Im Mittelpunkt stehen richtiger Umgang mit dem Tier und korrekte Hundehaltung.

Was ist, neben einer konsequenten Erziehung, wichtig für ein glückliches, langes Hundeleben?

Die Bereitschaft der Menschen, sich auf die Persönlichkeit, die Kommunikationsstruktur, die Wünsche sowie die Stärken und Schwächen ihres Hundes einzulassen. Nur so können wir dem vierbeinigen Freund ein artgerechtes und glückliches Leben bieten.

Hintergrund

Martin Rütter (51) kommt aus dem „Ruhrpott“. Seine Kindheit verbrachte er am liebsten auf dem Fußballplatz. Auch seine zweite große Leidenschaft entdeckte er schon früh: das Interesse an Hunden. Nach dem Studium der Tierpsychologie eröffnete Rütter 1995 seine erste Hundeschule und entwickelte DOGS, eine Philosophie zur partnerschaftlichen Ausbildung von Mensch und Hund! Seit 2003 verfolgen Millionen von Zuschauern den berühmten Hundetrainer im Fernsehen und schauen ihm bei seiner Arbeit über die Schulter. Rütter ist nicht nur Hundetrainer, sondern auch Autor vieler Bestseller-Fachbücher und Moderator.

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Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.