Leiden ohne Krankheit – somatoforme Beschwerden
Was steckt hinter somatoformen Beschwerden?
Bei jedem 5. Patienten sind keine organischen Ursachen für die Beschwerden zu finden. Schmerzen und Kreislaufstörungen, für die es keine organische Erklärung gibt, sind trotzdem echt. Damit somatoforme Beschwerden nicht chronisch werden, ist eine umsichtige Therapie angebracht.
Somatoforme Störungen zählen zu den häufigsten psychischen Störungen. Sie treffen mehr Frauen als Männer. Manchmal sind die Symptome unspezifisch: Erschöpfung, diffuse Schmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl. Oder sie betreffen einzelne Organsysteme: Herz-Kreislauf- Probleme, Magen-Darm-Beschwerden, ein plötzlicher Verlust des Hörvermögens. Die Lebensqualität leidet immer.
Ein Artikel von Saskia Fechte, Foto: Flora
Krankheit ist subjektiv
Unsere Psyche ist kein festes Konstrukt. Sie sammelt unentwegt Erfahrungen und Wahrnehmungen. Nicht als simpler Datenspeicher, sondern zur ständigen Auswertung. So bildet sich bei jedem von uns ein einzigartiger Erinnerungspool. Selbst wenn Hunderte Menschen Gleiches erlebt haben, besitzt jeder seine eigene Realität. Unsere Psyche kann Erinnerungen filtern, verknüpfen, sogar mit fiktiven Elementen ergänzen. Das ist kein bösartiges Täuschungsmanöver; es dient dazu, vergangene Erfahrungen bestmöglich für unsere körperliche und geistige Gesundheit zu nutzen. Damit ist klar: Somatoforme Beschwerden sind keine Einbildung, sie sind die Realität des Patienten.
Letztendlich hat fast jede Krankheit auch einen seelischen Aspekt. Das Fachgebiet für die Diagnostik und Behandlung von Krankheiten, die im Zusammenspiel von Körper, Seele und sozialen Faktoren entstehen oder aufrechterhalten werden, ist die Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Im Umkehrschuss eröffnet das jedoch auch gleich den Weg zu Selbstheilung.
3 wichtige Fragen
Was sind somatoforme Beschwerden?
Andauernde Symptome ohne körperliche Ursache, die die Lebensqualität beeinträchtigen oder große Sorgen bereiten. Auslöser sind – meist unbewusste – körperliche, seelische und soziale Faktoren. Herzrasen, Durchfall, Kopf- oder Rückenschmerzen sind als Zeichen für Überlastung oder Folge von Infekten nicht ungewöhnlich. Sie verschwinden in der Regel jedoch wieder. Menschen mit solchen nicht-spezifischen Beschwerden, die länger als sechs Monate andauern, irren oft von Arzt zu Arzt. Sie fürchten, nicht ernst genommen zu werden, und machen diese Erfahrung manchmal auch. Große Angst um die Gesundheit, übertriebene Schonung sowie das Gefühl, als Simulant betrachtet zu werden, können die Symptome verstärken.
Wie sieht die Therapie aus?
Je nach Beschwerdebild fokussiert sich die Behandlung auf die jeweiligen Organsysteme. Zusätzlich kann eine Psychotherapie sinnvoll sein, um die Sorge vor einer unentdeckten schweren Krankheit zu lösen. Wichtige Ziele sind mehr Kompetenz und Selbstverantwortung des Patienten im Alltag und im Dialog mit seinen Ärzten und Therapeuten. Unterstützend wirken außerdem allgemeine, gesundheitsfördernde Maßnahmen: Bewegung, gesunde Ernährung und Entspannungstechniken.
Welcher Arzt ist der richtige?
Mediziner unterschiedlicher Fachrichtungen begleiten den typischen Weg von Patienten mit somatoformen Beschwerden. Spezialisten sind Ärzte für Psychosomatische Medizin. Wer die Behandlung letztendlich koordiniert, entscheidet das persönliche Vertrauensverhältnis. Eine offene und klare Kommunikation über Beschwerden, Untersuchungen und medizinische Begriffe erleichtert die Therapie. Ein Arzt, der den Menschen als Ganzes sieht und mit seinen Sorgen ernst nimmt, schafft eine positive Ausgangsbasis und schaut auch nach Ursachen für Symptome.
Frag nicht Dr. Google!
Ist auch für Sie das Internet die erste Institution, wenn es um Beschwerden und Krankheiten geht? Nach wenigen Klicks erscheinen medizinische Informationen nebst Symptombeschreibungen und passenden Krankheitsbildern. Die moderne Selbstdiagnostik trifft jedoch selten die Wahrheit. In unserer Vorstellung wird aus einem verstimmten Magen schnell ein Krebsgeschwür. Bei sensiblen Personen können entsprechende Internetdiagnosen große Ängste hervorrufen. Bei unklaren Beschwerden fragen Sie besser Ihren Arzt oder Apotheker.
Dieser Thematik haben wir bereits vor drei Jahren einen noch immer aktuellen Artikel gewidmet: Morbus Google, Nocebo-Effekt und Cyberchondrie.
Informationen und Ansprechpartner:
- Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e. V.: dgpm.de
- Deutsche Schmerzgesellschaft e. V.: dgss.org
- Und natürlich stehen auch wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gern.