Laktoseintoleranz
Milch ist der Stoff, mit dem Säugetiermütter ihre Kinder in der Frühphase ernähren, der die kindliche Abwehr stärkt (vgl. Artikel) und viel Gesundes in sich hat wie z.B. Calcium, Phosphat und Vitamin D, alles sehr wichtig für Immunsystem, Wachstum, Knochenaufbau etc. In der Milch finden sich in Wasser gelöste Kohlenhydrate, Eiweiße, Vitamine sowie Spurenelemente und im Wasser emulgiertes Milchfett. Das wichtigste Kohlenhydrat in der Milch ist Laktose, in der Kuhmilch macht es etwa 4,6% aus. Aber Achtung, Milch ist nicht gleich Milch, man sollte eigentlich bei seiner Spezies bleiben, da es durchaus Abweichungen im Proteinspektrum gibt, die ebenfalls zu Unverträglichkeiten führen können, insbesondere bei industriell gewonnener (untrahocherhitzer) und damit proteinveränderten Kuhmilch.
Ebenfalls sind wir die einzige Art auf Erden, die Milch über die Frühphase des Heranwachsens hinaus „verfüttert“, hierzu an geigneter Stelle in diesem Artikel mehr…
Eigentlich ein wundervoller Powerdrink, aber eben diese Laktose verursacht bei vielen Probleme, die sogenannte Laktosemalabsorption, bzw. wenn im weiteren Verlauf Symptome dazukommen Laktoseintoleranz (weitere Namen: Kohlenhydratmalabsorption, Milchzuckerunverträglichkeit, Laktasemangelsyndrom, Alaktasie und Schreibformen mit „c“, also Lactose…).
Hiermit wird die Unfähigkeit des Organismus bezeichnet, den Milchzucker (Laktose) richtig zu verdauen. Im Normalfall wird der Milchzucker durch das im Dünndarm gebildete und dort aktive Enzym Laktase (oder Lactase) gespalten in die beiden Einfachzucker Galactose (Schleimzucker) und Glucose (Traubenzucker), die dort dann durch entsprechend ausgebildete Transportproteine verwertet, also in den Körper aufgenommen werden.
Bildet der Organismus aber zu wenig (dann spricht man von Lactosemaldigestion) oder gar keine Laktase, passiert der Milchzucker ungespalten den Dünndarm und landet schließlich im Dickdarm. Die dort angesiedelten Bakterien freuen sich über die gehaltvolle Nahrung. Bei der Verarbeitung des Milchzuckers produzieren sie dann Wasserstoff (H2), kurzkettige Fettsäuren (Essigsäure, Buttersäure etc.), Kohlendioxyd (CO2) und – das hängt von der Art der Bakterien ab – weitere Stoffe wie manchmal auch Methan (dazu mehr unten im Bereich Diagnose).
Betrachtet man diese Dickdarm-Produkte, so liegen die Symptome auf der Hand:
- Blähungen (durch CO2 bzw. selten, dann aber sehr stark ausgeprägt, durch Methan)
- Wässrige Durchfälle (durch Veränderung der osmotischen Verhältnisse im Darm durch die Fettsäuren)
- Übelkeit
- Bauchschmerzen
- Aufgedunsener Bauch
- Kalter Schweiß
PS / Kurz notiert:
- In drei von vier Fällen geht die Laktoseintoleranz mit einer Fuktoseintoleranz (Fruchtzuckerunverträglichkeit) einher.
- Laktoseintolerant sind sehr oft auch Menschen mit Gluten-Überempfindlichkeit (Zöliakie). Lesen Sie hierzu auch unseren Gluten Artikel.)
- Abzugrenzen ist letztlich noch die echte Milch-Allergie, hier reichen kleinste Spuren um Symptome zu verursachen, zu m Teil auch erst verursacht durch die Haltbarmachung der Milch.
Wo wir gerade bei Abgrenzungen sind:
Es gibt drei Formen der Laktoseintoleranz
1) Kongenitaler Laktasemangel
Das ist ein extrem seltener Gendefekt, der zur Folge hat, dass der Organismus keinerlei Laktase bildet. Das betrifft auch schon das neugeborene Kind.
2) Primäre Laktoseintoleranz (der Mediziner sagt: primärer oder physiologischer Lactasemangel)
Das ist die am häufigsten vorkommende Form und bietet uns neben den Unannehmlichkeiten immerhin noch einen interessanten Blick auf die Evolution den Menschen.
Normalerweise wird das Neugeborene von der Mutter mit Milch versorgt, bis es selbst in der Lage ist, andere Nahrung zu finden und zu verwerten. Ab einer gewissen Zeit ist es also nicht weiter notwendig, Milch zu trinken. Daher ist es eigentlich sinnvoll und normal, wenn sich die Produktion der Laktase ab dem fünften Lebensjahr (beim Menschen) zurückbildet (Hypolaktasie). So war es vor einigen Generationen (ca. 7000 Jahre zurück) auch mal. Mit Erfindung der Viehzucht und des Ackerbaus und oftmals strengen Hungerperioden, erschien Milch als wertvolle Nahrungsquelle und die Verträglichkeit, bedingt durch die (positive) Mutation eines speziellen Gens, war ein echter „Wettbewerbsvorteil“, der sich im Laufe der natürlichen Auslese (wie die Biologen bzw. Darwinisten sagen) in vielen Bereichen der Erde durchgesetzt hat. Interessant ist, dass in Afrika eine andere Mutation zur Verträglichkeit geführt hat als in Europa. In Nord- und Mitteleuropa sowie die europäisch-stämmigen Nordamerikaner und Australier vertragen zu über 80% Laktose, allerdings sind es in Europa im Alter von 60 Jahren auch nur noch 70% (das liegt wohl an einer wiederum veränderten Form des besagten Gens). Nur etwa die Hälfte der Spanier und Griechen verträgt Laktose und unter Asiaten sind Laktosetolerante nur vereinzelt zu finden. Es gibt Landkarten, welche die geographische Verbreitung der unterschiedlichen Verträglichkeiten deutlich aufzeigen. Es ist wohl die deutlichste genetische Signatur der Evolution, die jemals beim Menschen erforscht wurde.
Scherzhaft formuliert: Wer Milch verträgt, ist ein Mutant.
Die Verträglichkeit kann also von den Genen abhängen und ist somit in dieser Form auch nicht „heilbar“. Aber nicht nur die Gene müssen schuld sein…
3) Sekundäre Laktoseintoleranz
Bei dieser Form ist die Ursache eine Störung/Schädigung der Darmschleimhaut, wodurch als Folgewirkung die Laktase-Produktion in eben dieser Darmschleimhaut gestört wird. Wenn die Störung beseitigt werden kann, vergeht normalerweise auch wieder die Laktoseintoleranz, daher spricht man hier auch von einer temporären Laktoseintoleranz.
Es gibt viele Gründe für solche Störungen, z.B. langfristige Einnahme von Antibiotika, bakterielle Fehlbesiedelung, Fruktoseintoleranz, Zöliakie, Morbus Crohn, Alkoholismus, AIDS, Parasitenbefall etc.
Diagnosemöglichkeiten
Wer häufiger im normalen Alltag die o.g. Symptome bemerkt, der sollte sich zunächst gründlich selbst beobachten. Geht es Ihnen besser, wenn sie auf Milchprodukte verzichten? Wenn Sie nach einem Glas Milch oder einer Schale Müsli mit Milch auf nüchternen Magen innerhalb von zwei Stunden Symptome bekommen (es reicht schon Bauchgrummeln) so könnte dies ein Indiz für eine Malabsorption sein.
Machen Sie keine schmerzhaften Selbsttests (oder gar weitergehende Tests), befragen Sie lieber Ihren Arzt. Der hat verschiedene schmerzfreie und erprobte Tests im Repertoire. Der gängigste ist der H2-Atemtest. Wie oben beschrieben bilden, wenn Laktose in den Dickdarm durchkommt, die dortigen Bakterien u.a. H2, was vom Blut zur Lunge transportiert und mit dem Atem ausgeschieden wird, wo es dann messbar ist. Problem: Es gibt die Ausnahmen, die sogenannten Non-Responder, das sind die wenigen betroffenen Menschen, die im Dickdarm zusätzlich Methan produzieren. Für dessen Produktion wird auch das H2 weiterverarbeitet und liegt dann in dieser Form nicht mehr vor. In diesem Fall haben Betroffene nicht nur größere Blähungsprobleme sondern auch den Nachteil, dass kein messbares H2 mehr im Atem ist, was den Test leider aushebelt und zu Falschdiagnosen führen kann. Leider haben nur wenige Ärzte ein begleitendes Methanmessgerät. Es empfiehlt sich, bei starken Blähungen den Arzt danach zu fragen. Dieses Beispiel zeigt auch einmal mehr, wie wichtig eine ganz genaue Beschreibung der Problematik gegenüber dem Arzt sein kann.
Es gibt weiterhin den 13C-Atemtest mit markiertem Kohlenstoff, der wird allerdings aus Kostengründen (die Messgeräte sind sehr teuer) meist nicht angewendet.
Darüber hinaus zeigt der Blutzucker-Test (Laktosebelastungstest, wird auch oft zusammen mit dem H2-Atemtest durchgeführt) anhand des Blutzuckerspiegels, ob eine im Test getrunkene Lösung von der Laktase aufgespalten wird.
Letztlich sind noch Gentests oder Biopsien möglich, um das Ergebnis abzusichern.
Ich bin Laktoseintoleranz. Und nun?
Die Diagnose bedeutet für Betroffene leider einige Unannehmlichkeiten. Künftig sollte man versuchen, auf Produkte die viel Milchzucker (Laktose) enthalten zu verzichten und zwar in maximal möglichen und individuell notwendigen Umfang.
Auf jeden Fall wird man sich informieren müssen (Infoportale bzw. ggf. einen Ernährungsberater konsultieren), in welchen Produkten Laktose enthalten ist, vor allem in versteckter Form. Das Lesen von Zutatenlisten (ggf. eine Lupe mitnehmen zum Einkauf) sollten Sie sich angewöhnen.
Besonders im ersten Monat nach der Diagnose ist ein totaler Verzicht auf Laktose verbunden mit schonend zubereiteter Nahrung vorteilhaft, damit der Darm sich einmal gründlich regenerieren kann. Das ist eine unbequeme Umstellung, hilft aber auch bei der Sensibilisierung der künftigen Nahrungsauswahl.
Eine Intoleranz ist keine Allergie, kleine Spuren (die Menge ist natürlich individuell verschieden) kann der Organismus i.d.R. problemlos vertragen (das muss jeder selbst vorsichtig austesten), dennoch sollte auch nach dem besagten Monat die Ernährung so laktosefrei wie möglich gestaltet werden.
Mittlerweile ist die Produktpalette an laktosefreien Nahrungsmitteln, selbst Milch, beachtlich gewachsen und macht den Umgang mit der Intoleranz deutlich einfacher.
Hinzu kommen Laktase-Präparate oder auch Probiotika, die in Ausnahmefällen vor einem Essen eingenommen werden können. Diese sind jedoch privat zu bezahlen, die Krankenkasse übernimmt die Kosten nicht. Zudem ist insbesondere im Ausland aber auch hierzulande der Beipackzettel zu lesen, denn alle Präparate enthalten neben dem Enzym weitere Hilfs- oder Zusatzstoffe, wie z.B. Sorbit (ein Zuckeralkohol) oder gar Fruktose (Fruchtzucker). Auch diese Stoffe können ungewünschte Reaktionen verursachen. Beispielhaft (wie oben bereits erwähnt) wird Laktoseintoleranz oftmals von Fructosemalabsorption begleitet, von einem Prädikat mit Fruktose kann man hier nur abraten. Bezüglich der Präparatsauswahl und auch der Dosierung (hier spielt die Einheit FCC eine Rolle, das steht für Food Chemical Codex) befragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Da Laktase nicht schädlich ist, kann man sie zwar nicht überdosieren, aber eine bekannte Wechselwirkung ist zu berücksichtigen: Eisenpräparate sollten mindestens drei Stunden zeitversetzt eingenommen werden.
Ein Leben mit Laktoseintoleranz bringt einige Umstellungen mit sich, ist aber durchaus zu bewältigen, insbesondere da Nahrungsmittelproduzenten ihr Angebot auf die nicht unbedeutende Zahl betroffener Menschen abgestimmt haben. Eine aufklärende und informierende Kommunikation im Freundeskreis macht das soziale Miteinander einfacher.
Nach langem Verzicht auf Milchprodukte sollte man jedoch einen Blick auf seinen Calcium– und auch Vitamin D-Speicher werfen und ggf. dem Organismus durch gezielte Supplementierung helfen.
Sprechen Sie uns gern zu diesem Thema an aber auch zur Auswahl von Laktase-Präparaten, Dosierungsempfehlungen und Nahrungsergänzungen. Wir helfen Ihnen dabei, normal bzw. gut mit der Laktoseintoleranz zu leben.
Quellen:
– Grollen im Darm; Milch verträgt, wer ein Mutant ist – www.zeit.de/online/2007/09/laktose-milchzucker-gewoehnung/komplettansicht
– www.nahrungsmittel-intoleranz.com
– eigene Ausführungen
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