Hund Kastration – die vier häufigsten Irrtümer
Zur Kastration von Rüden und Hündinnen kursieren viele veraltete oder schlichtweg falsche Meinungen. Die Professorin Dr. Sandra Goericke-Pesch von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover sagt, was stimmt. Und was nicht.
Eine Kastration ist immer ein schwerwiegender Eingriff, der nicht rückgängig gemacht werden kann. Goericke-Pesch hat dazu einen klaren Standpunkt: „Die Kastration sollte immer eine Einzelfallentscheidung bleiben, der eine spezifische, individuelle Beratung vorausgeht.“ Sie rät: „Vor dem Eingriff sollten Tierärztinnen und Tierärzte die Patientenbesitzer stets über das Narkose- und Operationsrisiko sowie über Vor- und Nachteile der Kastration aufklären – zum Wohle des Tieres. Wir sollten uns Zeit nehmen für diese Beratungsgespräche und sie stets an die Patienten anpassen. Denn es gibt viele Faktoren, die wir bei unserer Entscheidung berücksichtigen müssen.“ Weil eine Kastration immer eine individuelle Angelegenheit ist, hat sie die folgenden Pauschalaussagen einmal genauer unter die Lupe genommen:
Kastrierte Hündinnen und Rüden sind gesünder
„Das stimmt so nicht“, klärt die Expertin auf. „Natürlich bekommt eine kastrierte Hündin keine Gebärmutterentzündung und ein kastrierter Rüde keine Hodentumoren. Allerdings kann es verschiedene Langzeitnebenwirkungen nach sich ziehen, wenn dem Körper die von den Eierstöcken oder den Hoden gebildeten Hormone fehlen: Zahlreiche Studien zeigen, dass eine Kastration die Wahrscheinlichkeit für gewisse Erkrankungen erhöht. Weitere Probleme, die sich nach der Kastration entwickeln können, sind Harninkontinenz, aber auch kosmetische Probleme wie Haarkleidveränderungen.“
Mit einer Kastration lassen sich Verhaltensprobleme beheben
„Das ist nicht immer der Fall“, so Goericke-Pesch. „Laut einer Studie beeinflusst eine Kastration unerwünschtes Dominanzverhalten und Aggression bei Rüden in 45 bis 65 Prozent der Fälle positiv. Auch bei Aggressionsverhalten während einer Scheinträchtigkeit kann eine Kastration sinnvoll sein. Allerdings gibt es auch Verhaltensprobleme, die sich ohne eine ergänzende Verhaltenstherapie nicht bessern. Und bei Hunden, die sich aggressiv verhalten, weil sie unsicher oder ängstlich sind, kann das Problem infolge der Kastration sogar schlimmer werden.“
Eine Kastration beugt Tumoren vor
„Bei Tumoren der Geschlechtsorgane, wie Östrogen produzierenden Eierstockstumoren oder Gebärmuttervereiterungen, können wir die Patienten durch eine Kastration heilen. Auch bei einer hormonabhängig vergrößerten Prostata, die dem Rüden den Kotabsatz erschweren kann, hilft der Eingriff.“ Die Expertin weist aber darauf hin, dass die Studienlage in puncto Gesäugetumorprophylaxe unklar sei. „Oft wird angeraten, Hündinnen vor der ersten Läufigkeit zu kastrieren. Besitzer und Tierärzte beziehen sich auf eine Studie aus den 1960er-Jahren, die besagt, dass Hündinnen, die vor der dritten Läufigkeit kastriert werden, seltener Gesäugetumoren entwickeln als unkastrierte Hündinnen. Je früher die Kastration durchgeführt werde, desto geringer sei demnach das Krebsrisiko“. Wenngleich viele praktizierende Tierärztinnen und Tierärzte einen anderen Eindruck haben, sei der schützende Effekt der Kastration jedoch aus wissenschaftlicher Sicht nie belastbar bestätigt worden.
Alle unkastrierten Hündinnen bekommen Gesäugetumore
„Das ist falsch“, beruhigt die Professorin. Das absolute Risiko dafür liege zwischen 0,2 und 1,86 Prozent. Etwa die Hälfte der Tumore ist gutartig. Sie rät daher, genau abzuwägen: Wiegt das Risiko, an Gesäugetumoren zu erkranken, die Risiken auf, die durch die Kastration erwachsen? „Statt Hunde per se vorbeugend zu kastrieren, sollten Tierärztinnen und Tierärzte die Gebärmutter und das Gesäuge beziehungsweise Hoden und Prostata regelmäßig untersuchen, beispielsweise vor der jährlichen Impfung. Falls hormonabhängige Erkrankungen auftreten, können wir sie so rechtzeitig erkennen und behandeln“.
Bei Fragen helfen auch wir Ihnen natürlich gern weiter und beraten Sie.