Healthy oder hirnverbrannt

Vom Schlafmittel bis zum Detox-Drink: Auf Social Media werden die seltsamsten Gesundheitstipps gehyped. Aber bringen diese Trends wirklich was? Wir haben „Sleepy Girl Mocktail“ und Co. mal genauer unter die Lupe genommen.

Ob Youtube, Instagram oder Facebook, in den sozialen Netzwerken tummeln sich unzählige Influencer, die gute Gesundheitsratschläge verteilen. Probieren geht über studieren? Bitte nicht! In manchen Posts steckt tatsächlich medizinisches Hintergrundwissen, doch viele virale Hits erhöhen nicht das Wohlbefinden der User, sondern vielmehr den Kontostand der Account-Besitzer. Untersuchungen zeigen zudem, dass Beiträge mit Überschriften wie „Was Deine Ärztin Dir nie verraten würde“ oder „Was Ihr Arzt Ihnen verschweigt“ unser Vertrauen in die Kompetenz von Therapeuten schmälert – ohne dass wir das Wissen der- bzw. desjenigen hinter der Meldung infrage stellen. Während manche der Tipps uns womöglich „nur“ nicht bei bestehenden Beschwerden helfen, können andere unserem Organismus gravierend schaden.

Mehr Busen durch Pollen

Brustvergrößerung durch Blütenstaub? Das soll tatsächlich klappen, beschwören Content Creator. Experten sind jedoch skeptisch. Zwar können Phytoöstrogene, hormonähnliche Substanzen, die in den Pollen enthalten sind, bei manchen Frauen das Brustvolumen beeinflussen – aber längst nicht immer. Zudem sind Überdosierungen zu fürchten, die unerwünschte Nebenwirkungen wie die Entwicklung von Myomen und schlimmstenfalls Krebserkrankungen begünstigen. Ein hohes Allergierisiko kommt noch hinzu. Wer Phytoöstrogene aus kontrolliertem Anbau und in standardisierter Menge zuführen möchte, erhält in der Apotheke entsprechende Präparate.

Mushroom Coffee

Ohne Kaffee, ohne Sie? Dann sind Sie vielleicht schon dem aktuellen Bohnen-Booster begegnet: Pulver aus gemahlenen Vital- bzw. Medizinalpilzen soll das koffeinhaltige Heißgetränk aufs nächste Gesundheitslevel hieven. Dass sich Arten wie Reishi oder Cordyceps, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) schon lange zur Verbesserung des Wohlbefindens eingesetzt werden, positiv auf unsere Gesundheit auswirken können, bestätigen mittlerweile auch viele Experten. Allerdings enthalten Pilzpulver aus dem Internet nicht selten gefährliche Zusatzstoffe. Zudem ist die jeweilige Wirkstoffmenge nicht standardisiert. Auf Nummer sicher gehen Sie mit Vitalpilzpulver oder -kapseln aus der Apotheke. Zu denen gibt’s den Kaffee dann einfach pur.

Sleepy Girl Mocktail

Den Schlaf optimieren – DER Trend auf Social Media. Kein Wunder, Deutschland schlummert mies, sodass wohl fast jeder von uns an Verbesserungsvorschlägen interessiert ist. Da kommt der „Sleepy Girl Mocktail“, eine Mischung aus Kirschsaft, Magnesium und Tonic Water, gerade recht. Denn zu erholsamem Schlaf verhilft uns das Schlafhormon Melatonin, für dessen Herstellung der Körper Magnesium benötigt. Kirschsaft enthält sekundäre Pflanzenstoffe, die den Abbau der Aminosäure Tryptophan hemmen; ein Ausgangsstoff für die Melatoninbildung. Aber: Ausreichend intensiv wirken nur wenige Sorten Sauerkirschsaft – und diese sind hierzulande nicht erhältlich. Zu viel Magnesium wiederum führt zu Durchfall, der die Nachtruhe so gar nicht fördert. Ob Männlein oder Weiblein: Wer’s mit einer Extraportion Schlafhormon versuchen möchte, kann statt Sleepy Girl vor dem Schlafengehen ein Milligramm Melatonin einnehmen, etwa als Spray.

Elektrolytpulver gegen Kater

Abends Alkohol, bis der Arzt kommt – ohne Brummschädel am nächsten Tag? Kein Problem mit Elektrolyten, propagieren selbsternannte Katzenbändiger im Netz. Und das so erfolgreich, dass die Mineralstoff-Präparate, die bei Montezumas Rache helfen, über Monate ausverkauft waren. Doch wirkt das in Wasser eingerührte Pulver tatsächlich den typischen Beschwerden entgegen? Teilweise vermutlich schon; zumindest werden die durch den Alkohol verlorene Flüssigkeit und die Mineralstoffspeicher wieder aufgefüllt. Allerdings sind die Nebenwirkungen bei solch unsachgemäßem Gebrauch kaum abschätzbar, denn ein Übermaß an Mineralstoffen birgt massive Risiken: Zu viel Kalium etwa kann Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand begünstigen. Und: Kopfschmerzen stoppen die Elektrolyte nicht. Hierfür empfiehlt sich Pfefferminzöl aus der Apotheke. Auf die Schläfen massiert, wirkt es nachweislich ebenso gut wie eine Paracetamol-Tablette.

PS: „Wirken Elektrolyte wirklich bei einem Kater?“

Genital-Sonnenbad

Hier geht’s um den Intimbereich, genauer gesagt ums Perineum, der Damm zwischen After und Vagina bzw. Penis. Eine Region, die üblicherweise wenig UV-Licht abbekommt – zu Unrecht, wie viele Sonnenanbeter auf einschlägigen Media-Plattformen behaupten. Genau dieses Areal präsentieren sie nackt den wärmenden Strahlen. Warum? Das sogenannte „Genital Sunning“ soll sexuelle Lust fördern und den Körper extra viel Vitamin D produzieren lassen. Ein Trend, der Dermatologen entsetzt: Die dünne Haut in diesem Bereich ist besonders sonnenempfindlich; Verbrennungen und schlimmstenfalls Hautkrebs drohen. (Lebens-)Lust zaubert die Sonne auch ohne „After-Sun“, und wer seine Vitamin-D-Depots füllen möchte, kann den Nährstoff ganz einfach einnehmen.

Gesichtsmaske mit Periodenblut

Iiih, wer macht denn sowas? Das denken Sie vielleicht und würden staunen, wie viele überzeugt aufzeigen. Die rote Flüssigkeit aus der Menstruationstasse auf Wangen und Co. zu reiben, habe eine Anti-Aging-Wirkung, glauben Anwenderinnen, da das Blut nährstoffreich sei und Stammzellen enthalte. Diese können beim sogenannten „Vampire Facial“ zusammen mit im Blutplasma enthaltenen Wachstumsfaktoren tatsächlich gewisse verjüngende Effekte haben – doch im Gegensatz zum mit reichlich Keimen aus dem Intimbereich versetzten Blut wird das zur Beauty-Behandlung steril per Nadel aus der Vene entnommene Blut vorher aufbereitet und in die Gesichtshaut injiziert. Möchten Sie Ihrem Teint etwas Gutes tun, gönnen Sie sich besser eine hochwertige Pflegecreme mit Hyaluron; die Säure bindet Feuchtigkeit und kann so kleine Fältchen „aufpolstern“.

Beschwerden?

Statt Dr. Google und Schwester Insta fragen Sie besser in Ihrer Apotheke! Dort gibt es individuelle, empathische und fachkompetente Beratung.

PS: Morbus Google, Nocebo-Effekt und Cyberchondrie

Cover 6/24
Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette “Naturheilkunde & Gesundheit” Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.