Echter Beinwell
Echter Beinwell (Symphytum officinale) ist eine Heilpflanze für Knochen, Muskel- oder Gelenkbeschwerden. Ihr Name deutet vorab auf das, was sie kann: „Bein“ ist eine alte Bezeichnung für Knochen im Allgemeinen und „well“ kommt von „wallen“, was wiederum so viel bedeutet wie Zusammenwachsen bzw. heil werden. „Officinale“ im Namen deutet auf eine Nutzung als Heilpflanze seit altersher (Officina = Apotheke).
Der Echte Beinwell ist eine von etwa 40 Beinwell Arten (lat: Symphytum, auch: Wallwurz, Schmerzwurz oder Beinwurz, engl: Comfrey). Diese Pflanzengattung gehört zur Familie der Raublattgewächse (Boraginaceae). Wir wollen an dieser Stelle auf die botanische Beschreibung verzichten und uns mehr auf die heilpflanzlichen Wirkungen konzentrieren, denn der Echte Beinwell wird als Heilpflanze angebaut und verwendet.
Bereits im alten Ägypten soll Beinwellwurzel gegen Blutergüsse, Brüche oder Verstauchungen eingesetzt worden sein. Dioskurides (griechischer Arzt, 1. Jh. n.Chr. und Quelle für die in Deutschland wesentlich bekanntere Hildegard von Bingen) widmete Beinwell im Heilmittelbuch „De materia medica“ mehrere Seiten. Somit wird man auch bei Hildegard fündig, wenn man sich über diese Pflanze und deren Gebrauch im Mittelalter informieren möchte.
Arzneiliche Verwendung finden:
- die getrocknete Wurzel (Symphyti radix) sowie
- getrocknetes Kraut (Symphyti herba), allerdings von der Art Symphytum ×uplandicum Nym.
- Symphytum ×uplandicum (auch Bastard-Beinwell oder Futter-Beinwell) ist eine Kreuzung aus Rauem Beinwell (Symphytum asperum) und unserem Echten Beinwell. Es wird außerhalb des pharmazeutischen Gebrauches als Futter- und Düngepflanze kultiviert.
Inhaltsstoffe
Die relevanten Inhaltsstoffe sind Allantoin (5-Ureido-hydantoin), Pyrrolizidinalkaloide (Intermedin, Acetylintermedin, Lycopsamin, Acetyllycopsamin, Symphytin sowie herkunftsabhängig Echimidin), Gerbstoffe, Schleimstoffe (Fructane), Stärke, Triterpene (Isobauerenol) und Sterole (Sitosterol), Kaffeesäurederivate (u.a. Rosmarinsäure), Aspargin, Aminosäuren.
Betrachten wir einige Inhaltsstoffe nochmal etwas genauer:
Allantoin
Allantoin wird die Beschleunigung des Zellaufbaus, der Zellbildung oder der Zellregeneration zugeschrieben und es beruhigt die Haut. Zudem unterstützt es die Heilung schwer heilender Wunden, hat aber keine antiseptischen Eigenschaften. Es erzeugt ein osmotisches Gefälle, regt die Durchblutung an und es kommt zu einer lokalen Leukozytose, die zur Vernichtung der Eitererreger beiträgt. Allantoin ist empfindlich gegen Berührung mit Metallen, die eine katalytische Zersetzung bewirken können, weswegen Allantoin-Zubereitungen nicht in Metallgefäßen gelagert werden sollten. Der Gehalt an Allantoin ist wohl auch für die schnellere Wundheilung zuständig bei äußerlicher Anwendung von Prellungen und Stauchungen mit Abschürfungen.
Überdies wirken die enthaltenen Schleimstoffe lokal entzündungshemmend und reizmindernd.
Die Gerbstoffe wirken lokal adstringierend sowie schwach desinfizierend. Diese Kombination der Eigenschaften macht es auch als Mittel bei Magen- oder Darmschleimhautentzündungen interessant.
Problemfall Pyrrolizidinalkaloide
Diese sind eine große Gruppe pflanzlicher Alkaloide, die in nicht wenigen Pflanzen (Kreuzkräuter, Korbblütler, Rauhblattgewächse und Hülsenfrüchtler) enthalten sind. Einigen Vertretern dieser Alkaloide wurden leberschädigende Wirkungen belegt. Bei Langzeitanwendung können sie sogar Leberkrebs auslösen. Das trifft aber nur auf einige Pyrrolizidinalkaloide wie z.B. Senecionin und Senkirkin zu.
Eine Aufnahme über die Haut findet kaum statt, Studien (Tierversuch) mit Beinwell (Symphytum) ergaben eine sehr geringe transkutane Resorptionsrate.
Aus Beinwell-Extrakten in Fertigarzneimitteln wurden oftmals lebertoxische Pyrrolizidine eliminiert. Für solche Produkte besteht keine Beschränkung in der Anwendungsdauer. Die Packungsbeilage ist zu beachten.
Die Erkenntnis über das Vorhandensein und die Wirkungen der Pyrrolizidinalkaloide führte letztlich auch dazu, dass Beinwell nicht mehr als Küchenkraut verwendet wird.
Anwendung
Medizinische Anwendung der Beinwellwurzel
Die Wurzel wirkt als pflanzliches Arzneimittel gemäß dem HMPC (Committee on Herbal Medicinal Products, ein Gremium der europäischen Zulassungsbehörde EMA) äußerlich bei Verstauchungen und leichten Prellungen, verfügt also über eine behördlich bestätigte Wirkung.
Sie findet äußerlich in Form von Umschlägen und Pasten Anwendung bei Schmerzen und Schwellungen von Muskeln und Gelenken, bei Gelenkarthrose, Knochenhautreizungen, akuten Rückenschmerzen, Gichtknoten, Muskelzerrungen, Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen, Epikondylentzündungen, Sehnenscheidenentzündung und Periarthritis (ESCOP) sowie lokale Durchblutungsförderung.
Eine Abkochung (Dekokte), vergleichbar mit einer Teebereitung, kann (kurzfristig) als Mund- und Gurgelwasser bei Parodontose, Pharyngitis und Angina verwendet werden. Abkochungen werden oftmals beim Einsatz von harten Pflanzenteilen (Hölzer, Wurzeln, Rinden) verwendet. Dabei werden die Pflanzenteile in kaltes Wasser gelegt, zum Kochen gebracht (etwa fünf bis fünfzehn Minuten sprudelnd kochend) und dann abgegossen.
Innerlich (nur Fertigarznei) bei Gastritis sowie Magen- und Darmgeschwüren.
Medizinische Anwendung von Beinwellkraut
Prellungen und Verstauchungen, Muskel- und Gelenkschmerzen infolge stumpfer Verletzungen (klinische Studie).
Dosierung
Beinwellwurzel und Beinwellkraut sollten in Form von Fertigarzneimitteln angewendet werden, damit Wirksamkeit und Unbedenklichkeit (vgl. oben: Pyrrolizidinalkaloide) gewährleistet sind. Dabei wird gemäß Packungsbeilage dosiert. Äußerlich anzuwendende Präparate nur auf intakter Haut aufgetragen.
Frauen sollten während der Schwangerschaft und Stillzeit keine Beinwellzubereitungen anwenden, ebenso Kinder unter 3 Jahren.
Phytopharmaka
Beinwellwurzeln/-extrakte finden sich vor allem in der Gruppe der Analgetika-Antirheumatika und Antiphlogistika sowie zudem bei Antitussiva-Expektorantia, Dermatika, Venenmitteln, durchblutungsfördernden Mitteln und Umstimmungsmitteln.
Homöopathie
Auch hier erfolgt die Anwendung bei Irritationen im Bewegungsapparat und sonstigen Verletzungen (insbesondere im Gesicht oder des Auges), Venenentzündungen oder auch begleitend zur Behandlung von Knochentumoren (spez. Sarkome) aber des ggf. verletzten, umliegenden Gewebes, inklusive Sehnen und Bänder. Üblich sind Potenzen D1 bis D30. Vielfach werden auch spagirische Zubereitungen zur Intensivierung der Wirkung eingesetzt.
Abzugrenzen ist es hier zu Arnika, die mehr den Abbau starker Schwellungen, z.B. durch Einblutungen (Blutergüsse) im Focus hat.
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Quellen / Weiterführende Links:
- Titelfoto: Kickapoo [GFDL oder CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons
- Illustration Gemeiner Beinwell: Walther Otto Müller (1833-1887), Köhler’s Medizinal-Pflanzen
- Arzneipflanzenporträt, Echter Beinwell, PTA-Forum, 20/2018, S. 46f.
- Hänsel, H. Haas; Therapie mit Phytopharmaka, Springer, korr. Nachdruck, 1984, S. 272f.
- Wichtl (Hrsg.); Teedrogen, WVG Stuttgart, 2. Auflage, 1989, S. 88ff.
- BfR: Fragen und Antworten zu Pyrrolizidinalkaloiden in Lebensmitteln
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