Depressionen – schwierige Diagnose sowie Betreuungsbedarf bei Therapiebeginn
Eine Depression ist eine anerkannte Krankheit und kein Bagatell-Wehwehchen.
Dennoch verschweigen viele die Symptome aus Scham aber auch auf Basis von Verdrängung sowie Unwissenheit. Die WHO führt eine Liste mit Krankheiten und den hinreichenden Voraussetzungen für ihre Diagnosen (vgl. auch ICD-10-WHO Version 2013, Kapitel V, Psychische und Verhaltensstörungen, Affektive Störungen, F30-F39: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2013/block-f30-f39.htm). Rein formalsachlich gibt es also keinen Grund, sich zu schämen.
Diagnose
Die Diagnose ist aber nicht so leicht. Es ist mehr ein Ausschlussverfahren anderer Krankheitsbilder bis zu dem Punkt, an dem sich der Verdacht auf eine behandlungsbedürftige depressive Episode herauskristallisiert. Diese liegt vor, wenn wenigstens zwei der von der WHO definierten Hauptsymptome (depressive und getrübte Grundstimmung; Interesse- und Freudlosigkeit; Antriebsminderung, Energieverlust, Müdigkeit) und zwei der Zusatzsymptome (verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit; reduziertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen; Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit; negative und pessimistische Zukunftsperspektive; Suizidgedanken; Schlafstörungen) über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen anhaltend auftreten.
Wir haben in unserem Blog bereits in Zusammenhang mit dem Burnout-Syndrom einige Informationen zur Depression und die Abgrenzung zum Burnout vorgestellt.
Die Ursachen für Depressionen sind allumfassend und betreffen alle Menschen beiderlei Geschlechts und aus allen sozialen Schichten sowie alle Bereiche des alltäglichen Lebens und wirken sich auf diese aus. Stress spielt eine große Rolle, ist aber nicht die einzige Ursache.
Eine Depression kann sich hinter vielen Beschwerden verstecken, die Patienten in der Selbstmedikation nachfragen. Hier sind Patienten selbst aber auch wir in der Apotheke bei der Deutung von Anzeichen gefordert, denn Selbstmedikation bedeutet immer die Verzögerung einer adäquaten Therapie. Das Krankheitsbild der Depressionen beginnt oftmals mit Antriebs- und Lustlosigkeit und steigert sich im Verlauf. Je eher die Depression diagnostiziert wird, desto eher kann ihr richtig entgegengewirkt werden.
Kleiner Selbsttest: Lesen Sie sich die oben beschriebenen Haupt- und Zusatzsymptome durch und fragen sich dann, ob sie auf Sie zutreffen. Bei einer kleinen Niedergeschlagenheit mag ein Johanniskraut-Präparat eine adäquate Hilfe sein. Bleibt eine zeitnahe Zustandsbesserung aus, fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker, also gern auch uns.
Therapie
Ist die Diagnose Depression gefallen, so kann sie mit professioneller Psychotherapie und unterstützenden Medikamenten behandelt werden. Neben den klassischen Antidepressiva werden Medikamente mit Wirkstoffen eingesetzt, die gezielt die Neurotransmitter Serotonin und/oder Noradrenalin bei der Signalübertragung zwischen zwei Nervenzellen beeinflussen (SSRI, NaSA, SSNRI, Melatonin-Analoga etc.), alle mit individuellen Vor- und Nachteilen. Auf jeden Fall keine Kandidaten für die Selbstmedikation. Als biologische Therapieansätze wären noch Tryptophan und Hydroxytryptophan zu nennen, die jedoch auch in die ärztliche Therapie gehören.
Die Behandlung erfolgt in drei Stufen: Akuttherapie (6-8 Wochen, schnelle Linderung, Alltagsfähigkeit herstellen), Erhaltungstherapie (4-9 Monate, Symptome abbauen, Therapieerfolg festigen und sichern) und Rezidivprophylaxe (Maßnahmen zur Abwendung eines Wiederauftretens, rückfallgefährdete Patienten werden wenn notwendig auch über Jahre betreut).
Langfristigkeit
Die Phasen verdeutlichen: Mit einer Sprechstunde beim Doktor und zwei, drei Pillen ist es lange nicht getan.
Ein schwerwiegendes Problem ist der Zeitraum zwischen Diagnose und Medikament-Verordnung bis hin zum Wirkungseintritt der Medikamente. Dieser kann einige Wochen in Anspruch nehmen, in denen die Krankheit allerdings bereits voll zuschlägt und zudem die teilweise unangenehmen Nebenwirkungen (medikamenten- sowie patientenindividuell, z.B. Mundtrockenheit, Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme, innere Unruhe, Agitiertheit, Schlafstörungen, Nausea, sexuelle Funktionsstörungen etc.) der noch nicht wirkenden Antidepressiva deutlich zu spüren sind. Das trägt definitiv nicht zum Wohlbefinden bei. Leider muss der Patient durch dieses Tal hindurch und da sind Therapeut sowie Umfeld gefordert. Hinzu kommen der schlechte Ruf von Antidepressiva sowie weit verbreitete Abhängigkeitsängste.
Wenn dann endlich die Wirkung einsetzt und die Stimmung sich bessert, wird die Therapie oftmals übereilt abgebrochen, weil scheinbar alles wieder in Ordnung ist. Wiederum sind Therapeut und noch mehr das soziale Umfeld gefordert den Patienten in der Fortführung der Therapie zu motivieren.
Die Absetzung der Medikamente nach Therapieerfolg braucht wiederum einige Zeit. Ein abruptes Absetzen führt z.B. zu Unruhe, Schlafstörungen, Übelkeit oder im schlimmsten Fall zum Wiederaufflammen besiegt geglaubter Symptome.
Also:
Depression ist eine anerkannte Krankheit, es gibt gar keinen Grund zu falscher Scham!
Nehmen Sie die Zeichen Ihres Körpers ernst und fragen Sie lieber zu früh als zu spät nach Hilfe, wenn die genannten Symptome auf Sie zutreffen.
Und hören Sie auf Ihren Therapeuten, er ist auf Ihrer Seite.
Eine gute Quelle für weitere Informationen ist die (für uns Hannoveraner auch emotional bedeutende) Robert-Enke-Stiftung.
Wir sind gern für Sie da und helfen Ihnen weiter, sprechen Sie uns an.
Quelle: u.a. „Seele unter Eis“, Das PTA Magazin, Ausgabe 11-2014, S. 24 ff
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