Ganzheitlichkeit ist das Ziel

Kräutermedizin, Homöopathie, Wassertherapie. Was gehört wozu? Stefanie Deckers führt Sie durch den Dschungel der Naturheilverfahren.

 

Naturheilverfahren gibt es wie Sand am Meer. Jede Methode hat ihren eigenen Schwerpunkt, und doch gibt es Gemeinsamkeiten, die sie von der Schulmedizin unterscheiden.

Die Schulmedizin orientiert sich an Erkrankungen des Menschen und verfolgt in ihrem Denkansatz das Prinzip von Ursache und Wirkung. Die Naturheilkunde betrachtet den Menschen in seiner Ganzheit mit Körper, Seele und Geist. Naturheilverfahren haben das Ziel, die Selbstheilungskräfte anzuregen. Das innere Gleichgewicht soll wiederhergestellt werden. Vorbeugende Maßnahmen dienen der Gesunderhaltung.

Die klassische Naturheilkunde umfasst mehr als die jahrtausendealte Heilpflanzenkunde. Ernährungs-, Bewegungs- und Ordnungstherapie gehören dazu. Auch die Nutzung von Wasser, Kälte und Wärme ist wissenschaftlich belegt. Die klassische Naturheilkunde ist heute weitgehend anerkannt, nachdem sie jahrelang von der Schulmedizin verdrängt wurde. Technische und pharmazeutische Fortschritte standen im Vordergrund. Inzwischen hat ein Umdenken stattgefunden. Phytotherapie und alle anderen Verfahren, die zur klassischen Naturheilkunde gehören, werden immer beliebter. Sie ergänzen die Schulmedizin und können – nach Absprache mit dem Arzt – auch bei akuten und chronischen Erkrankungen begleitend eingesetzt werden.

 

Welche klassischen Naturheilverfahren eignen sich besonders?

Phytotherapie

Die Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) ist so alt wie die Menschheit. In nahezu allen Kulturen gab es die Kräuterkundigen, die Pflanzen und Pflanzenteile zu Heilzwecken eingesetzt haben. Mit der Kräutermedizin sind berühmte Namen verbunden: Hippokrates, ein Arzt aus der Antike, Hildegard von Bingen, Äbtissin und Kräuterkundige des Mittelalters, Paracelsus, einer der wichtigsten Vorreiter in der Medizin und Patron der Apotheken.

Pflanzliche Arzneimittel heißen in der Fachsprache Phytopharmaka. Sie unterliegen den Bestimmungen des Arzneimittelrechts. Hochwertige pflanzliche Mittel zum Einnehmen gibt es in der Apotheke in Form von Tees, Tinkturen, Tabletten oder Säften. Für die äußere Anwendung gibt es Cremes, Salben, Badezusätze und Umschläge auf pflanzlicher Basis.

Mit phytotherapeutischen Arzneien lassen sich Alltagsbeschwerden gut behandeln: Erkältungskrankheiten, Infektionen von Blase und Nieren, Probleme mit dem Verdauungssystem, Schlafstörungen und seelische Anspannungen. Die Wirksamkeit von Phytopharmaka ist in wissenschaftlichen Studien belegt: Eukalyptus befreit die Nase, Wermut entspannt Magen und Darm, Lavendel beruhigt die Nerven. Bekanntestes Beispiel ist die Weidenrinde mit einem pflanzlichen Inhaltsstoff, der dem Arzneistoff Acetylsalicylsäure (ASS) ähnlich ist und als Wirksubstanz gegen Kopfschmerzen zum Einsatz kommt.

 

Ernährungstherapie

„Essen hält Leib und Seele zusammen.“ Das Sprichwort kennt jeder. Maßloses Schlemmen ist damit aber nicht gemeint. Die naturheilkundliche Ernährungstherapie verfolgt den Gedanken: Nahrungsmittel sind Heilmittel. Vorausgesetzt, es handelt sich um eine vollwertige Ernährung, die hauptsächlich aus pflanzlichen Lebensmitteln besteht, viele Vollkornprodukte und Erzeugnisse aus Milch enthält, dabei aber wenig Fisch, Fleisch und Eier. Vitamine, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe dienen der Gesunderhaltung von Körper, Seele und Geist.

Erwiesen ist, dass viele Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Herz-Kreislauf- Erkrankungen u. a. auf eine ungesunde Ernährungsweise mit zu viel Zusätzen, Fett und Zucker zurückzuführen sind. Vitalstoffmangel kann auf das Gemüt schlagen und die Stimmung beeinträchtigen. Demnach besteht ein Zusammenhang zwischen Ernährung und ganzheitlicher Gesundheit. Wer möglichst naturbelassen isst, kann sich vor vielen Erkrankungen schützen – vor Übergewicht sowieso.

 

Bewegungstherapie

Wer sich regelmäßig und angemessen bewegt, hält sich nicht nur körperlich fit, sondern auch seelisch gesund. Sport kann dem Stressabbau dienen und die Stimmung heben, den Schlaf verbessern und geistige Fähigkeiten stärken – bis ins hohe Alter.

Die Bewegungstherapie geht davon aus: Viele Erkrankungen lassen sich verhindern, wenn der innere Schweinehund immer wieder besiegt ist. Je nach Vorlieben, individuellem Fitness- und Gesundheitszustand eignen sich Ausdauersportarten, Muskeltraining oder Mannschaftssport. Bewegung stärkt das Herz-Kreislauf-System, stimuliert das Immunsystem und sorgt für stabile Knochen. Der Stoffwechsel wird verbessert, Blutfettwerte gesenkt und der Blutzucker reguliert. Übergewicht hat kaum eine Chance.

Eine Sonderform der Bewegungstherapie ist die Krankengymnastik, die gezielt der Besserung dient und andere Behandlungsstrategien unterstützen kann. Gymnastik und ein moderates Fitnessprogramm schonen die Gelenke, helfen, den Blutdruck zu senken und das Allgemeinbefinden zu verbessern. Empfehlenswert bei rheumatischen Beschwerden, Durchblutungsstörungen, Diabetes und Depressionen. Sogar bei Krebserkrankungen kann Bewegungstherapie dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern.

 

Ordnungstherapie

Der Begriff „Ordnungstherapie“ lässt sich schwierig übersetzen. Gemeint ist ein gesunder Lebensstil in allen Bereichen, der für ein inneres Gleichgewicht sorgt.

Weder von allem zu viel, noch zu wenig. Insofern spielt sich die Ordnungstherapie auf vielen Ebenen ab: maßvolles Essen, ausreichend Bewegung, genug Schlaf und ein steter Wechsel von Anspannung und Entspannung. Arbeit und Freizeit halten sich in Balance. „Psychohygiene“ ist ein moderner Ausdruck für Ordnungstherapie und wird von Ärzten und Therapeuten empfohlen. Im naturheilkundlichen Zusammenhang hat Ordnungstherapie eine übergeordnete Bedeutung. Im Sinn von Ganzheitlichkeit pflegt eine ausgewogene Lebensweise Körper, Seele und Geist. Hilfreich, um zur inneren Mitte zu finden, sind Entspannungsmethoden wie Yoga, Pilates oder Progressive Muskelentspannung.

 

Hydrotherapie

Die Hydrotherapie beugt mithilfe von Wasser Erkrankungen vor und behandelt sie. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der anerkannten Kneipp-Therapie, benannt nach dem Naturheilkundler und „Wasserdoktor“ Sebastian Kneipp (1821–1897). Wassertreten ist eine seiner bekanntesten Methoden. Kurze Kaltwasserreize stärken die körpereigene Abwehr, verbessern den Schlaf und machen gute Laune.

Eine Form der Hydrotherapie ist die Balneotherapie. Sie geht davon aus, dass Baden die Gesundheit stärkt. Warmes Wasser entspannt die Muskeln, die Organe und den Geist. Schmerzen werden gelindert, z. B. bei Rheumaleiden oder Menstruationsbeschwerden. Bestimmte Badezusätze können den gesundheitsfördernden Effekt verstärken: Totes Meer Salz hilft bei Hautproblemen. Bei Neurodermitis, Schuppenflechte und Akne ist es auf jeden Fall einen Versuch wert. Zur Balneotherapie gehören auch Moor-, Schlamm– oder Kleiebäder. In Form einer Kur tun sie Haut, Gelenken und Psyche gut.

 

Alternativmedizin

Die Liste der Naturheilverfahren ist lang. Bach-Blüten-Therapie und Homöopathie ebenso wie Kinesiologie und Bioresonanztherapie gehören zur Alternativmedizin.

Über die Wirksamkeit dieser Anwendungen lässt sich streiten. Den einen hilft sie, andere zweifeln an ihrer Effektivität. Bei alternativen Naturheilverfahren fehlen bislang wissenschaftliche Belege oder sie sind noch nicht ausreichend getestet. Es gibt Forschungseinrichtungen, die nach neuen Untersuchungskonzepten suchen, um Nutzen und Risiko von alternativmedizinischen Anwendungen besser einschätzen zu können.

Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und die indische Lehre des Ayurveda gehören ebenfalls nicht zur klassischen Naturheilkunde. Es handelt sich um eigenständige Gesundheitssysteme, deren Ursprünge Jahrtausende zurückliegen.

 

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NuG cover 8-19
Text mit freundlicher Genehmigung der S & D Verlag GmbH. Das komplette „Naturheilkunde & Gesundheit“ Heft bekommen Sie auch bei uns in der Apotheke.