Flora Apotheke Hannover

Kinderarznei

Wenn Kinder krank sind, leiden die Eltern mit. Zu dem dringenden Wunsch, Hilfe zu leisten, gesellt sich jedoch meist eine grosse Unsicherheit und die Sorge, bei der Behandlung der kleinen Patienten schwerwiegende Fehler mit bestimmten Arzneien bzw. deren Dosierung zu begehen.
Dieser Artikel soll Ihnen helfen, die Situation einzuschätzen und Behandlungsfehler zu vermeiden.

Arzneimittel im Kindesalter - Allgemeine Prinzipien

Schon eine einzige falsche Arzneimittelanwendung kann beim Kind wesentlich schwerwiegendere Folgen haben als beim Erwachsenen. Immer wieder möchten Eltern wissen, was sie bei leichteren Erkrankungen von sich aus, also im Rahmen der Selbstmedikation, tun können. Sie müssen aber auch wissen, wann der Weg zum Arzt unerlässlich ist. Dies herauszufinden, kann Ergebnis eines Beratungsgesprächs in der Apotheke sein.

Die am häufigsten in der Apotheke gestellten Fragen drehen sich um sogenannte "banale" Symptome, also Fieber, Husten, Schnupfen sowie Magen-Darm-Erkrankungen von Säuglingen und Kleinkindern. Bevor ich auf deren Therapie eingehe, möchte ich grundsätzlich eines verdeutlichen: Handelt es sich bei gleichen Erkrankungen beim Erwachsenen vielfach um ein gestörtes Gleichgewicht, das wieder hergestellt werden kann, so ist dies beim Kind anders. Hier hat sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren wie Wachstumsvorgänge, Reifung und Entwicklung eben dieses Gleichgewicht noch nicht eingestellt. Störungen können diese Dynamik in eine falsche Richtung lenken, aber umgekehrt kann diese dynamische Komponente auch Störungen wieder beheben. Die Spontanheilungsquote ist bei Kindern wesentlich höher als beim Erwachsenen! Beispielsweise verschwinden banale Infekte in der Regel auch ohne die Gabe von Arzneimitteln. Eine vertretbare Portion Gelassenheit sollte deshalb bei aller Fürsorge mit dabei sein - wohlgemerkt, solange es sich um die oben aufgezählten Bagatellerkrankungen handelt.

Andererseits können Säuglinge ihre Beschwerden nicht differenziert zum Ausdruck bringen: Sie schreien, haben Fieber, atmen schnell, husten, erbrechen oder haben Durchfall. Allein um das Wohlbefinden zu bessern, kann deshalb eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein.

Ganz entscheidend bei der medikamentösen Behandlung ist nicht nur die Auswahl des richtigen Arzneistoffs, sondern auch die der geeigneten Arzneiform und vor allem die der Dosierung.

Wie einfach wäre es, wenn Kinder einfach wie kleine Erwachsene und Neugeborene wie kleine Kinder therapiert werden könnten. Hier müssen jedoch eine Vielzahl altersspezifische Besonderheiten bedacht werden: Vor allem die Verstoffwechselung von Arzneistoffen ist bei Kleinkindern noch nicht vollständig ausgeprägt, aber auch die Wirksamkeit und sogar die Wirkung eines Arzneistoffes kann beim Kind im Gegensatz zum Erwachsenen völlig unterschiedlich sein. So können bestimmte, den Erwachsenen stark aufputschende Arzneistoffe (Amphetamine) bei überaktiven Kindern das Gegenteil, nämlich eine Ruhigstellung hervorrufen.

Dies zeigt deutlich, dass sich bei der Therapie von Kindern keine allgemein pauschalisierten Regeln aufstellen lassen.

Als erstes möchte ich mich der Arzneiform widmen:

Die Einnahme von Tabletten, Kapseln oder Dragees ist für kleine Kinder häufig unmöglich.

Bei flüssig einzunehmenden Arzneiformen wie Lösungen, Emulsionen oder Suspensionen ist für die Einnahme vor allem der Geschmack entscheidend. Bei Suspensionen, also Lösungen mit festen Arzneistoffteilchen ist es wichtig zu wissen, dass die Flasche vor jedem Gebrauch gründlich geschüttelt werden muss - ansonsten besteht bei Therapiebeginn die Gefahr einer Unterdosierung und bei Therapieende die einer Überdosierung.

Auch die Anwendung von Salben, Cremes oder anderen Zubereitungen, die auf die Haut aufgetragen werden, wird von altersabhängigen Besonderheiten beeinflusst. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Hautoberfläche entsprechend der Körperoberfläche um so relativ grösser ist, je jünger das Kind ist. Zudem ist der Wassergehalt der Neugeborenenhaut erhöht und die Dicke der obersten Hautschicht, des Stratum corneums, noch relativ gering. Daraus ergibt sich eine grössere Gefährdung von Säuglingen gegenüber äusserlichen Anwendungen. Deshalb ist es schon zu diversen Vergiftungen gekommen (z.B. mit Hexachlorophen, Salicylaten und mit Borsäure- und phenolhaltigen Zubereitungen).

Injektionen werden so selten wie möglich angewendet, weil das Gedächtnis von Kindern für die Schmerzempfindung sehr stark ausgeprägt ist. Eine schmerzhafte Erfahrung kann eine kategorische Ablehnung und starke Angst vor weiteren Arztbesuchen auslösen. Die Verwendung von Zäpfchen wird wegen der unterschiedlichen und meist auch niedrigen Arzneistoffaufnahme aus dem Fertigarzneimittel in den Körper im allgemeinen nicht besonders positiv beurteilt. Gerade jedoch beim Kleinkind ist die Anwendung fiebersenkender und schmerzhemmender Zäpfchen sinnvoll, da sie den Magen-Darm-Trakt nicht belasten.

Als nächstes möchte ich Ihnen einige Grundregel der Dosierung von Arzneimitteln bei Säuglingen und Kleinkindern darlegen:

Dies ist ein äusserst komplexes Thema, bei dem viele Faktoren ineinander spielen. Trotzdem möchte ich versuchen, Ihnen den ein oder anderen Punkt darzulegen, um Ihnen ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie ausserordentlich wichtig es ist, bei Säuglingen und Kleinkindern, die angegebene Dosierung und das Dosierungsintervall peinlichst genau einzuhalten.

Der Körper eines Neugeborenen zeichnet sich aus durch einen geringen Fett- und hohen Wasseranteil: Der Flüssigkeitsraum beansprucht beim Neugeborenen etwa 40% des Körpergewichtes, beim Erwachsenen nur noch 15 bis 20 %. Das ist vor allem bei der Gabe fettlöslicher, sogenannter lipophiler Arzneistoffe zu berücksichtigen. Jeder weiss, das sich gleiches in gleichem verteilt. Einen Tropfen Öl kann man auch nicht ohne weitere Hilfe in Wasser lösen. Bedingt durch den eben angesprochenen höheren Wasseranteil im kindlichen Organismus kann es deshalb bei fettlöslicher Arzneistoffen zu erhöhten Arzneistoffkonzentrationen im Blut kommen, was zu Vergiftungen führen kann. Das umgekehrte gilt für wasserlösliche Wirksubstanzen wie zum Beispiel viele Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine und Aminoglykoside): sie müssen im Umkehrschluss im Verhältnis höher dosiert werden als bei Erwachsenen.

Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die Verstoffwechselung, die letztendlich dazu dient, Arzneistoffe wieder aus dem Körper auszuscheiden: Wird der Arzneistoff aufgrund der eingeschränkten Möglichkeit der Verstoffwechselung langsamer um- und abgebaut, so wird er auch langsamer aus dem Körper ausgeschieden. Tragisches Beispiel ist die beim Neugeborenen auf das 6-fache verlängerte Ausscheidungszeit eines bestimmten, früher verwendeten Antibiotikums, nämlich von Chloramphenicol. In Unkenntnis dieses Zusammenhanges starben in den fünfziger Jahren zahlreiche Früh- und Neugeborene an den durch relative Überdosierung hervorgerufenen Vergiftungserscheinungen.

Aus den bis heute gewonnenen Erkenntnissen lassen sich folgende grundsätzliche Prinzipien für die Arzneimitteltherapie bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern ableiten:

  1. In der Neugeborenen- und jungen Säuglingsphase unterliegen die meisten für die Arzneistofftherapie relevanten Vorgänge des Körpers noch einem Reifungsprozess.
  2. Desweiteren ist vor allem in diesem frühen Lebensabschnitt eine von Kind zu Kind ausserordentliche Schwankungsbreite, das heisst grosse Unterschiede in diesem Reifungsprozess bei altersgleichen Kleinkindern zu berücksichtigen.

Neugeborene und junge Säuglinge bis zu einem halben Jahr gehören deshalb in die Hand eines Kinderarztes und sind kein Fall für die Selbstmedikation!

Ab dem zweiten Lebenshalbjahr sind die meisten dieser Reifungsprozesse - vor allem die Verstoffwechselung - ausgereift. Dosierungsanpassungen sind hauptsächlich in Abhängigkeit von Grösse und Gewicht zu treffen.

Als wichtige Faustregel sollte man dabei die Altersregel im Kopf haben: vier mal Alter des Kindes plus 20 = Prozentualer Anteil der Erwachsenendosis

Ein vierjähriges Kind erhält demnach 36% der Erwachsenendosis. Diese Regel hat jedoch den Nachteil, dass Grösse und Gewicht des Kindes nicht berücksichtigt werden und ist deshalb relativ ungenau. Im Zweifel empfiehlt es sich daher auf jeden Fall den Anweisungen des Kinderarztes oder den Angaben der Packungsbeilage zu folgen.

 

Selbstverständlich helfen auch wir Ihnen in unserer Apotheke gerne weiter.

Zum Seitenanfang